Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Capri.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hofft auf baldige Lieferung von Luftabwehrsystemen.
REUTERS/Claudia Greco

Die intensiven russischen Luftangriffe auf die Ukraine riefen am Donnerstag die Außenminister der G7-Staaten auf den Plan. Bei ihrem Treffen auf der italienischen Insel Capri warnten sie vor einer drohenden ukrainischen Niederlage, falls westliche Staaten nicht umgehend mehr Luftabwehrsysteme an Kiew liefern. Die Mitglieder der Gruppe der sieben stärksten demokratischen Wirtschaftsnationen sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die USA, Kanada und Japan.

Als Beobachter war auch EU-Außenbeauftragter Josep Borrell auf Capri dabei. Er warb bereits zu Beginn des Treffens für eine stärkere Unterstützung der ukrainischen Luftabwehr: Wenn es nicht gelinge, Städte und Infrastruktur der Ukraine besser zu schützen, drohe die Stromversorgung des Landes zusammenzubrechen. "Und kein Land kann kämpfen, wenn es keinen Strom hat – zu Hause, in den Fabriken, online, einfach für alles", sagte Borrell vor Journalisten.

Ähnlich äußerte sich auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: Mehr für die Luftverteidigung der Ukraine zu tun sei dringend notwendig – "zum Schutz der Ukraine und zum Schutz unserer eigenen Sicherheit".

Vergleich Israel und Ukraine

Zu dem Treffen waren auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg geladen. Kuleba beklagte im Vorfeld, der Westen zeige bei der Verteidigung Israels eine andere Haltung als bei der Verteidigung der Ukraine. Die iranischen Luftangriffe auf Israel am vergangenen Wochenende seien auch mithilfe der USA, Großbritanniens und Frankreichs abgewehrt worden. "Die Strategie unserer Partner in Israel scheint zu sein, Zerstörung und Tod zu verhindern", so Kuleba. "In den vergangenen Monaten war die Strategie unserer Partner in der Ukraine, uns dabei zu helfen, uns von der Zerstörung zu erholen."

Kuleba hofft, noch in dieser Woche Zusagen zur Lieferung von mehr Abwehrsystemen der Typen Patriot und SAMP/T zu erhalten. Außerdem – und hier gibt es einen weiteren Konnex zum Kriegsschauplatz Nahost – hoffte er auf weitere EU-Sanktionen gegen die Produktion von Drohnen im Iran, die ja zum Teil nach Russland geliefert werden. Annalena Baerbock betonte, es müsse eine Reaktion auf den "präzedenzlosen" Angriff des Iran auf Israel geben, aber es dürfe zu "keiner weiteren Eskalation in der Region" kommen.

Die Tatsache, dass die USA im Kreis der G7 vertreten sind, lenkte einen Teil der Aufmerksamkeit auch nach Washington, wo die weitere US-Unterstützung für Kiew im Repräsentantenhaus von den oppositionellen Republikanern blockiert wird. Dass es zuletzt Signale gab, die auf eine Aufgabe der Blockade hoffe ließen, wurde auf Capri begrüßt. Zudem hat Jens Stoltenberg für Freitag eine Sondersitzung des Nato-Ukraine-Rats einberufen.

Appelle aus Kiew Richtung Brüssel

Ähnliche Töne wie auf Capri waren tags zuvor beim EU-Sondergipfel in Brüssel zu hören gewesen: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte, zugeschaltet per Video, die europäischen Partner eindringlich um die Lieferung von Raketenabwehrsystemen gebeten, mit denen sein Land den russischen Beschuss mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen abwehren könne.

Selenskyj dankte dabei dem deutschen Kanzler Olaf Scholz für seine rasche Entscheidung, ein drittes Patriot-Abwehrsystem zu schicken – und für seine Bemühungen, die EU-Partner dazu zu bewegen, alles verfügbare Material zur Luftabwehr zu liefern. Scholz hatte diesen Vorschlag schon zu Beginn des Gipfels eingebracht. Dänemark, die Niederlande und Tschechien sagten sofort zu, die deutsche Initiative zu unterstützen.

Die EU-Regierungschefs erklärten in ihrer Schlusserklärung ihre volle Solidarität und Unterstützung für die Ukraine und verwiesen dabei auf entsprechende Beschlüsse beim Treffen vor vier Wochen in Brüssel. Sie betonten explizit die Notwendigkeit, Luftabwehr und nötige militärische Unterstützung "so rasch wie möglich zu liefern", auch Artilleriemunition. Im März war beschlossen worden, über eine tschechische Initiative 800.000 Artilleriegranaten auf dem Weltmarkt zu kaufen und an Kiew zu liefern.

Zum Nahen Osten hieß es in den Schlussfolgerungen des Brüsseler EU-Gipfels am Mittwochabend: "Die Europäische Union wird weitere restriktive Maßnahmen gegen den Iran ergreifen, insbesondere in Bezug auf Drohnen und Flugkörper." Gleichzeitig rief die EU Israel und den Iran zum Verzicht auf weitere gegenseitige Angriffe auf. (Thomas Mayer aus Brüssel, Gerald Schubert, 18.4.2024)