"Die Redaktionskomitees von Rai protestieren gegen den Versuch, den öffentlich-rechtlichen Sender in ein Megafon der Parteien umzufunktionieren", schrieb die Rai-Gewerkschaft am Donnerstag und kündigte eine Serie von fünf Streiks an. Mit den "Parteien" waren natürlich die drei rechten bis ultrarechten Regierungsparteien gemeint. Fünf Tage Streik: Eine so lange Arbeitsniederlegung der Journalistinnen und Journalisten hat es beim italienischen Staatssender seit Jahren nicht mehr gegeben. Dabei hat Giampaolo Rossi, den sich Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als neuen Rai-Generaldirektor ausgesucht hat, sein Amt noch nicht einmal angetreten. Rossi war jahrelang der Haus- und Hofphilosoph des postfaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) und ist ein enger Vertrauter der Regierungschefin.

Aber auch ohne Rossi hat die Rechtsregierung beim Staatssender schon längst die meisten Schlüsselstellen in den verschiedenen Redaktionen und Abteilungen mit eigenen Gefolgsleuten besetzt. Das merkt man etwa daran, dass in den Nachrichten und in den Hintergrundberichten Themen wie die Migration, in denen Meloni Mühe hat, ihre Wahlversprechen einzuhalten, nur noch sehr spärlich vorkommen. Oppositionschefin Elly Schlein vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) bezeichnet die Rai seit längerem nur noch als "Telemeloni" und wirft der Ministerpräsidentin vor, Italien in ein "Regime" verwandeln zu wollen. Die Rai beschäftigt insgesamt 13.000 Personen, darunter etwas mehr als 2.000 Journalistinnen und Journalisten.

Einfach nur im Hauptabendprogramm der Rai aufzutreten ist Regierungschefin Giorgia Meloni nicht genug. Sie will die Kontrolle.
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Hinzu kommt, dass Vertreter von Melonis Partei gerade versucht haben, die sogenannte "par conditio" auszuhebeln. Das Gesetz aus dem Jahr 1993 schreibt vor, dass vor Wahlen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern alle Parteien gleich viel Sendezeit erhalten müssen. Von dieser Regel sollten nach dem Willen der Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) bereits vor der Europawahl im Juni die Minister und Staatssekretäre – also die Mitglieder der Rechtsregierung – ausgenommen werden. Melonis Begründung: Es müsse sichergestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger pünktlich über die Aktivitäten der Institutionen und der Regierung informiert würden. Das war so dreist, dass sich sogar in Melonis Koalition Widerstand formierte: Der Angriff auf die "par conditio" wurde schließlich abgeblasen.

Reichweite schwindet

Womit Meloni und ihre postfaschistischen Fratelli d'Italia ebenfalls nicht gerechnet hatten: Die inzwischen grotesk parteiischen Nachrichtensendungen finden bei den Zuschauerinnen und Zuschauern keinen Gefallen mehr. Sie kehren "Telemeloni" den Rücken und wandern zur privaten Konkurrenz ab, etwa zum Sender La7, der zum Mailänder Medienkonzern RCS gehört. Dieser gibt unter anderem auch den renommierten Corriere della Sera heraus. Oder sie schauen sich die Nachrichten auf dem Berlusconi-Sender Mediaset an. Oder auf dem vergleichsweise neuen Sender Nove: Er gehört zu Discovery Channel, der wiederum Teil des US-Mediengiganten Warner Bros. ist.

Aber nicht nur das Publikum läuft der nun penetrant populistisch und nationalistisch geprägten "Mamma Rai" davon. Dasselbe tun auch die Rai-Publikumslieblinge, die zum Teil seit Jahrzehnten dort tätig waren. Der jüngste, sehr geräuschvolle Abgang war jener von Starmoderator Amedeo Umberto Rita Sebastiani, genannt Amadeus, der seinen Vertrag mit der Rai nicht mehr erneuert und zum Discovery Channel wechselt. Mit seinen Showsendungen Affari Tuoi und I soliti ignoti zur Primetime war Amadeus stets ein Quotenkönig des Staatssenders; auch als Moderator des von der Rai produzierten Festivals von Sanremo erzielte er jahrelang traumhafte Einschaltquoten.

Starmoderator Amadeus (li., mit Pop-Barde Eros Ramazzotti) hat genug: Er verlässt die RAI.
Starmoderator Amadeus (li., mit Pop-Barde Eros Ramazzotti) hat genug: Er verlässt die Rai.
EPA/ETTORE FERRARI

Vor ihm sind schon viele andere gegangen, darunter die beiden Aushängeschilder von Rai 3, Fabio Fazio und Bianca Berlinguer, die Tochter des früheren Chefs der italienischen Kommunisten, Enrico Berlinguer. Auch die landesweit bekannte Top-Journalistin Lucia Annunziata hat entnervt gekündigt. Die Massenflucht der TV-Lieblinge sei für die Rai nicht nur ein kommerzielles Problem, sondern es droht zunehmend auch ein politisches zu werden: Viele Rechtswähler können zwar den Abgang der eher links stehenden Berlinguer, Fazio und Annunziata verschmerzen, aber wenn der Eindruck einer Säuberungswelle bei der Rai entstehe, dann hört der Spaß für viele auf.

Bis zu einem gewissen Maß sind es die Italienerinnen und Italiener durchaus gewohnt, dass ihr Staatssender eine Spielwiese der Politik ist und dass bei einem Regierungswechsel bei Rai jeweils das große Köpferollen einsetzt. Così fan tutti – so machen das alle, auch die Linken. Bis vor kurzem galt dabei aber das ungeschriebene Gesetz: Der erste Kanal Rai 1 berichtet regierungsnah, Rai 2 gehört der Rechten, Rai 3 den Linken. Seit Meloni bei Rai das Kommando führt, gilt dies nicht mehr: Vom einst pointiert linken Profil des dritten Kanals ist kaum noch etwas übrig geblieben. Bis zur finalen politischen Gleichschaltung fehlt bei der Rai nicht mehr viel. Dank der vielen Privatsender und einer breiten Palette von unabhängigen Zeitungen, die von der Regierung in Ruhe gelassen werden, bleiben Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in Italien dennoch gewahrt.

Nicht nur das Fernsehen ...

Doch der manchmal geradezu zwanghaft anmutende Drang Melonis nach Kontrolle der Medien endet nicht beim Staatssender. Im Visier der italienischen Rechtspopulisten ist nun auch die Nachrichtenagentur AGI, die zweitwichtigste Agentur nach der staatlichen Ansa. Der Lega-Senator und schwerreiche König der italienischen Privatmedizin, Antonio Angelucci, der auch schon drei rechtslastige Tageszeitungen herausgibt, hat ein Auge auf die AGI geworfen. Diese befindet sich derzeit noch im Besitz des Energieversorgers Eni, der wiederum vom italienischen Finanzministerium kontrolliert wird. Bei der Übernahme der Agentur könnte es sich als hilfreich herausstellen, dass das Finanzministerium von Giancarlo Giorgetti, einem Parteifreund Angeluccis, geführt wird. In Rom heißt es, der Deal sei so gut wie unter Dach und Fach. (Dominik Straub aus Rom, 19.4.2024)