So schön ist Wien. Doch besungen wird die Stadt in der Hymnenversion 2.0 mit Kommentaren wie "Da rollen sich die Zehennägel ein".
APA/HANS PUNZ

"In dem Lied wird nicht gesudert. Wo ist der Wiedererkennungswert?" Dieser Kommentar scheint die Macher hinter der KI-Hymne der Stadt Wien veranlasst zu haben, ihr Werk noch einmal zu überarbeiten. Diesmal wird aber nicht der majestätische Glanz von irgendwelchen Türmen oder der durch die Gassen fließende Donaukanal besungen, sondern die Anti-Hymne besteht ausschließlich aus den boshaften Kommentaren der Online-Community.

Hymnen-Gate erklärt

Doch der Reihe nach: Am Dienstag wurde auf den Social-Media-Accounts der Stadt Wien eine nicht ganz ernst gemeinte Hymne veröffentlicht. Es könne ja schließlich nicht sein, dass Wien anders als die anderen acht Bundesländer Österreichs keine Hymne hat, so die augenzwinkernde Begründung. Der Text stammte von ChatGPT, Musik und Gesang wurden automatisch per Software generiert. Das Ergebnis war ein Lied, das man nur als "speziell" bezeichnen konnte.

Besungen wurden Türme, der majestätische Glanz und eigenartigerweise der Donaukanal. Doch wie das im Internet nun einmal so ist, ging die Ironie offenbar an vielen Posterinnen und Postern spurlos vorüber – und die Reaktionen fielen heftig aus. "Da wird die Milch sauer", schreibt eine Userin auf X, vormals Twitter. Warum man nicht echte junge Künstler mit dem Komponieren einer Hymne beauftragt, kritisierte eine Userin. Auch bei den Musikkritikerinnen und -kritikern im STANDARD-Forum fiel das Werk durch: "Ein wahres Kunstwerk, das sehr deutlich zeigt, was KI alles NICHT kann", hieß es da. Aber: Die Posterinnen und Poster schienen den Witz mehrheitlich zu verstehen und nahmen die "Hymne" über den majestätischen Glanz von Wien nicht ganz so ernst.

Perfekt getrollt

Wie man das als Teilzeit-Online-Troll nun aber so macht, legte die Social-Media-Abteilung der Stadt Wien am Freitag nach. Dort wurde nämlich eine neue Hymne veröffentlicht, diesmal stammte der Text aber nicht vom Chatbot, sondern wurde aus all den Hasskommentaren und Beleidigungen zusammengesetzt. Das jüngste Werk beginnt mit den Headlines zu "Hymnen-Gate", wie die Affäre jetzt wohl heißt. Danach geht es mit einem fröhlichen "Ei, ei, ei, da wird die Milch sauer" weiter. Über zwei Minuten lang werden die Beleidigungen gesungen. Das Lied endet mit einem versöhnlichen Posting aus dem STANDARD-Forum: "Im Vergleich zur österreichischen Bundeshymne ist das ein Jahrhundertwerk."

Und plötzlich ist sich die Community auf X, vormals Twitter, einig: Die Anti-Hymne ist fantastisch gelungen. Womit bewiesen wäre: Sudern und Raunzen kommt in Wien immer noch am besten an. Bei der Stadt Wien freut man sich: "Twitter vereint. Das muss uns auch mal jemand nachmachen." (red, 19.4.2024)