Was macht den auch international beachteten Erfolg des mitgliederfinanzierten dänischen Onlinemediums Zetland aus? Lea Korsgaard, Mitgründerin und Chefredakteurin von Zetland, erklärte den "mitgliederzentrierten Journalismus" beim Internationalen Journalismusfestival (IJF) in Perugia.

Einnahmequellen gesucht

Die Ausgangslage für Medienunternehmen in Österreich ist schwierig. Deutlich gestiegene Produktions- und Vertriebskosten und sinkende Print-Abo-Zahlen befördern die Entwicklung hin zum Onlinejournalismus. Der größte Teil der Werbebuchungen geht an große Tech-Unternehmen wie Alphabet und Meta. Also brauchen private Medienhäuser andere Einnahmequellen.

Kleine journalistische Medien-Start-ups setzen daher auf Mitgliedschaftsmodelle. Durch zahlende Mitglieder wollen sie weder von Werbegeldern noch von Inseraten aus öffentlicher Hand abhängig sein. Exklusiver Zugang zu Inhalten für Mitglieder stärkt die Bindung. Breiteres Publikum konnten sich diese kleinen Medienunternehmen in Österreich, im Vergleich zu Zetland in Dänemark, mit dieser Strategie noch nicht aufbauen.

Der Vergleich

Das österreichische Investigativmedium Dossier hat zum Beispiel rund 5.400 Mitglieder (Stand April 2024). Zetland hat über 40.000. Obwohl sie beide 2012 gegründet wurden und der dänische Medienmarkt mit 5,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sogar kleiner ist als der österreichische. Österreich hat vor kurzem erst die Neun-Millionen-Marke überschritten.

Beide Medien teilen sich den stark zentrierten Medienmarkt mit relativ großen öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern und privaten Medienunternehmen, die staatlich gefördert werden. Hinzu kommt in Österreich noch die starke Konkurrenz aus Deutschland.

Der Unterschied liegt aber nicht nur in den Mitgliederzahlen und der Konkurrenz. Dossier arbeitet teilweise monatelang an tiefgehenden, investigativen Recherchen zu großen Themen aus Politik und Gesellschaft. Zetland versucht den Bedürfnissen der Mitglieder im Alltag gerecht zu werden.

Lea Korsgaard, Chefredakteurin von
Lea Korsgaard, Chefredakteurin von "Zetland", erklärt beim Internationalen Journalismusfestival in Perugia, wie mitgliederfinanzierter Journalismus wirtschaftlich erfolgreich sein kann.
Lukas Köppl-Haslinger

"Mitgliederzentrierter Journalismus"

Lea Korsgaard, Mitgründerin und Chefredakteurin von Zetland, nennt diese Art, Journalismus zu machen, "mitgliederzentrierten Journalismus". Dieser Ansatz kommt aus der Anfangszeit von Zetland. Der Erfolg des Onlinemagazins setzte erst nach einer ersten, existenziellen Krise, jahrelangen Justierungen und einer inhaltlichen Neugründung 2016 ein.

Aus dieser Zeit stammen auch die jährlichen Befragungen der Mitglieder, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Zetland selbst durchgeführt werden. Jeder und jede der rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, rund die Hälfte ist journalistisch tätig, ruft ein Mitglied an, um herauszufinden, was dieses besonders bewegt und welche Themen relevant für die Mitglieder von Zetland sind. Dadurch hat man sich auf vier Kernthemen geeinigt, die in jedem Text von Zetland inhaltlich bedient werden müssen. Eines der Themen: Nachhaltigkeit und Veränderung.

Mit diesem Thema beschäftigt sich auch das österreichische, mitgliederfinanzierte Onlinemagazin Tag eins. Genau wie Zetland möchte das im November 2022 gegründete "Magazin für Veränderung" nicht zur Nachrichtenflut beitragen und setzt auf "slow journalism". Im Vordergrund stehen also tiefgehende Recherchen und umfassende Analysen anstatt schneller, fehleranfälliger Kurzmeldungen. Damit möchte man in Zeiten von Krieg und Krisen gegen Nachrichtenmüdigkeit ankämpfen.

Nach einer Crowdfundingkampagne kurz nach der Gründung hatte Tag eins mehr als 1000 Mitglieder. Das ursprüngliche Ziel von 10.000 Mitgliedern konnte aber nicht erreicht werden. Im Oktober 2023, also knapp ein Jahr später, musste das Gründungsteam von Tag eins noch einmal ausrücken, um 1000 neue Mitglieder zu generieren, damit der laufende Betrieb finanziell gesichert war. Das gelang jedoch nicht. Eine Neuausrichtung wurde angekündigt, und im Februar 2024 kam man auf 800 zahlende Mitglieder. Was macht Zetland also anders, um gut 40-mal so viele Mitglieder zu halten wie Tag eins?

Podcast-Revolution

Nach der ersten Mitgliederbefragung 2017 bekam Zetland die Rückmeldung, dass vielen Mitgliedern die Zeit fehle, um die langen Texte, die produziert werden, zu lesen. Lieber würden sie sich die Inhalte anhören. In einem Pilotprojekt ließ Zetland einzelne Texte einsprechen. Mittlerweile kann man sich jeden Text von Zetland auch als Podcast anhören. 75 Prozent konsumieren die Inhalte von Zetland in reiner Podcatform.

"Wir sind jetzt eine Audio-Zeitung ,die du mit deinen Ohren lesen kannst."

Die Marketingstrategie

Nach der Neugründung 2016 versuchte Zetland einige klassische Marketingstrategien, finanziert von Investoren. Fernseh- und Plakatwerbung sowie einmonatige Gratismitgliedschaften konnten zahlende Mitglieder aber nicht langfristig binden.

Im Sommer 2018 musste daher eine andere Strategie her. Zetland begann seine Mitglieder als "Botschafter:innen" zu rekrutieren. Ihnen wurde offen kommuniziert, wie es wirtschaftlich um Zetland steht. Sie wurden ausgestattet mit Jutebeuteln, Stickern und anderen Marketingprodukten – und gebeten, Bekannte damit als Mitglieder anzuwerben. Damit diese Strategie funktioniert, müssen die Mitglieder wirklich überzeugt sein von den Inhalten, sagt Lea Koorsgard.

Durch Mundpropaganda und Influencer:innen-Marketing konnten kontinuierlich neue Mitglieder gewonnen werden. In jährlichen Anwerbekampagnen konnten so Ziele für neue Mitglieder immer wieder übertroffen werden. 2021 und 2022 wollte man in drei Wochen 3000 neue Mitglieder anwerben – und hat schließlich mehr als 5000 geschafft.

Die Sache mit der Paywall

Harte Paywalls verhindern, dass Online-User:innen sich einen Eindruck von den Inhalten machen können. Diese Erkenntnis hatte nicht nur Zetland, sondern auch schon viel andere Medien. Neue Mitglieder gewinnt das dänische Medium, indem es Artikel schreibt, die auf die Interessen der Mitglieder eingehen. Diese teilen sie dann über die sozialen Medien mit Freundinnen und Bekannten. Den ersten Zetland-Artikel, den man zugeschickt bekommt, kann man sich noch kostenlos ansehen. Wenn man aber aus Interesse dann auf einen zweiten klickt, wird man aufgefordert, Mitglied zu werden.

Veranstaltungen für Mitglieder

Zetland organisiert regelmäßig Veranstaltungen für seine Mitglieder. Dabei werden die Inhalte live auf den großen Theaterbühnen Dänemarks eingelesen. Lea Korsgaard meint, dass es dabei auch darum geht, die Mitglieder kennenzulernen und sich damit als Journalist:in auch immer wieder bewusst zu machen, dass die Inhalte von jemandem gelesen – oder eben auch gehört – werden.

Und die österreichischen Medien-Start-ups?

Viel von dem, was Zetland macht, gibt es auch in Österreich schon. Dossier veranstaltet regelmäßig für seine Mitglieder Veranstaltungen. Das Gründungsteam von Tag eins hat zur Mitgliederkampagne im Oktober 2023 offen kommuniziert, wie es wirtschaftlich um ihr Projekt steht, und Mitglieder dazu aufgefordert, neue Mitglieder anzuwerben. Einzelne Inhalte sind bei beiden Medien nicht hinter Paywalls versteckt, um Reichweite zu generieren. Die Kombination aus ausgeklügelter Marketingstrategie, Nähe zu den Mitgliedern und Podcasts scheint Zetland zur Hoffnung der Medienbranche zu machen. (Lukas Köppl-Haslinger, 20.4.2024)