Das Papier der FDP soll am Parteitag am Wochenende beschlossen werden. Zur Hebung der Stimmung in der Koalition trägt es nicht bei.
Das Papier der FDP soll am Parteitag am Wochenende beschlossen werden. Zur Hebung der Stimmung in der Koalition trägt es nicht bei.
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Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigte sich am Montagvormittag gut gelaunt in der Berliner FDP-Zentrale. Ob sie den Zustand der Ampelkoalition als Belastung für ihren EU-Wahlkampf sehe, wurde die FDP-Spitzenkandidatin für die Europa-Wahl am 9. Juni gefragt. Ihre Antwort: "Nein, das empfinde ich nicht als belastend."

Doch das könnte sich möglicherweise ändern. Denn die FDP hat ein Positionspapier vorgelegt, das vor allem beim sozialdemokratischen Koalitionspartner für großen Ärger sorgt. "Die SPD lässt nicht zu, dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird“, sagt etwa SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert.

Zwölf Punkte umfasst das Papier, die FDP hat es nicht zufällig gerade jetzt publikgemacht. Am kommenden Wochenende hält sie in Berlin ihren Bundesparteitag ab. Es ist der 75. in der langen Parteigeschichte, und da soll das liberale Profil geschärft werden – nicht zuletzt deshalb, weil die Umfragewerte schlecht sind. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 hatte sie 11,5 Prozent erreicht, mittlerweile wird sie in Umfragen bei fünf Prozent – und damit nicht mehr sicher im Bundestag vertreten – gesehen.

Bürgergeld und Rente

Dass das Konzept die schwachen liberalen Werte hochtreiben soll, sagt man in der FDP natürlich nicht. Die geforderten Maßnahmen seien notwendig, um die "Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken", betont Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. In dem Konzept finden sich etwa Pläne für Bürokratieabbau und steuerliche Vorteile für Überstunden.

Vor allem zwei Punkte sind es, die die Wogen in der Koalition hochgehen lassen: Verschärfungen beim Bürgergeld und die Abschaffung der Rente mit 63. Bürgergeld wird in Deutschland die Grundsicherung für Arbeitsuchende genannt. Im FDP-Papier heißt es dazu: "Wer seinen Mitwirkungspflichten im Bürgergeld nicht nachkommt und beispielsweise zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen." Derzeit arbeiten die Jobcenter mit einem Stufenmodell. Bei einer Pflichtverletzung werden zunächst zehn Prozent der Leistungen gekürzt.

Mit 63 Jahren können Menschen (ohne Abschläge) in Rente gehen, wenn sie zuvor 45 Jahre lang in die Pensionskasse einbezahlt haben. Die FDP findet, angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland sollte man sich die Frühpension nicht mehr leisten.

CSU sieht "Scheidungsurkunde"

Eine klare Absage an die Pläne kommt von SPD-Chef Lars Klingbeil. "Wir lassen nicht zu, dass Politik auf dem Rücken derjenigen gemacht wird, die hart arbeiten und das Land am Laufen halten", sagt er in der "Bild am Sonntag". SPD-Sozialexperte Helge Lindh warnt: "Wenn die FDP das ernst meinen würde – also jetzt umzusetzen gedenkt –, dann liest sich das Papier wie eine Austrittserklärung aus der Koalition."

Bei den Grünen meldet Außenministerin Annalena Baerbock Kritik an. Es brauche jetzt, "gerade vor der Europawahl, Geschlossenheit zwischen (...) allen demokratischen Akteuren in unseren Gesellschaften", sagt sie. Im Visier hat die FDP übrigens auch grüne Projekte. Sie will Windräder und Solaranlagen nicht mehr staatlich fördern.

Eine "Scheidungsurkunde" für die Ampel nennt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Auflistung. Und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann lockt damit, dass die FDP einige Punkte mit der Union umsetzen könnte.

Das aber weist FDP-General Dijr-Sarai zurück. Er räumt aber ein, dass es innerhalb der Ampel "an der einen oder anderen Stelle kommunikationsintensiv" werden könnte. Doch er betont auch: "Diese Pläne sind uns schon sehr wichtig. Wir schreiben nicht nur ein Papier auf." (Birgit Baumann aus Berlin, 22.4.2024)