Die New Yorker Columbia University hat am Montag wegen der Bedrohung jüdischer Studenten durch anhaltende antiisraelische Proteste auf dem Universitätscampus auf einen Onlinebetrieb umgestellt. Die Präsidentin der Universität, Nemat Minouche Shafik, schrieb in einem offenen Brief, in den vergangenen Tagen habe es zu viele Beispiele für "einschüchterndes und belästigendes Verhalten auf unserem Campus gegeben".

Die Präsidentin der Columbia University, Nemat Minouche Shafik, will dem ausufernden Antisemitismus an ihrem Campus Einhalt gebieten.
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Zuvor hatte bereits ein Rabbiner Juden wegen ihrer nicht gewährleisteten Sicherheit eindringlich vor dem Betreten des Universitätsgeländes gewarnt. Sogar US-Präsident Joe Biden und das Weiße Haus sahen sich zu Stellungnahmen gegen die antisemitische Hetze im Rahmen der Proteste gezwungen. "Dieser unverhohlene Antisemitismus ist verwerflich und gefährlich", erklärte Biden. Antisemitismus habe absolut keinen Platz auf dem Campus oder sonst wo im Land.

Video: Spannungen wegen Gaza-Protesten: US-Uni stellt auf Onlinebetrieb um.
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Tiefe Spaltung

Antiisraelische Proteste haben seit vergangenem Herbst infolge des Massakers der islamistischen Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober an zahlreichen US-amerikanischen Eliteuniversitäten für politische Verwerfungen gesorgt und eine tiefe Spaltung zutage gefördert.

Der Campus der Columbia University wurde besetzt.
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Seit vergangener Woche hatten antiisraelische Demonstranten den Campus der Columbia University besetzt. Sie wollten die Universität dazu zwingen, Unternehmen und Partner mit Verbindungen zu Israel zu boykottieren – Forderungen, die jenen der antisemitischen Boykottbewegung BDS entsprechen. Um die Sicherheit wiederherzustellen, rief die Universitätsleitung am Donnerstag schließlich die Polizei um Hilfe, bei der anschließenden Räumung eines Protestlagers wurden mehr als hundert Personen verhaftet, darunter auch die Tochter der prominenten demokratischen Abgeordneten Ilhan Omar, die als Anführerin der Proteste gemeinsam mit zwei anderen von der Universität suspendiert wurde. Die Spannungen verschärften sich jedoch nur noch weiter – und die Proteste griffen auf andere Universitäten über.

Auch an der New York University und in Yale kam es zu Verhaftungen von Demonstranten. In Harvard wurde ein "Solidaritätskomitee" suspendiert. Die Beteiligten wurden angewiesen, ihre organisatorischen Aktivitäten für den Rest des Semesters einzustellen, andernfalls drohe der Ausschluss von der Universität. Harvard sperrte am Montag auch Teile des Geländes.

Auch Harvard muss aus Sicherheitsgründen Sperren verhängen.
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Finanzielle Folgen

Die antisemitischen Auswüchse bedeuten nicht nur ein Sicherheitsproblem für die Universitäten, auch finanzielle Folgen sind zu erwarten. So kündigte der Eigentümer des Footballteams New England Patriots und Sponsor des Kraft Center for Jewish Student Life, Robert Kraft, an, seine Spenden an Columbia auszusetzen. In einer Erklärung wurde von Kraft mitgeteilt, er sei "nicht mehr zuversichtlich, dass die Columbia ihre Studenten und Mitarbeiter schützen kann, und ich fühle mich nicht wohl dabei, die Universität zu unterstützen, bis Korrekturmaßnahmen ergriffen werden".

"Brauchen einen Reset"

Shafik erklärte in ihrem offenen Brief am Montag, antisemitische Äußerungen seien wie auch andere Äußerungen, mit denen Menschen verletzt und verängstigt werden sollen, inakzeptabel, und es würden entsprechende Maßnahmen ergriffen. Als Schritt zur Deeskalation und "um uns allen die Möglichkeit zu geben, über die nächsten Schritte nachzudenken", würden alle Kurse nur virtuell stattfinden. "Ich bin zutiefst traurig darüber, was auf unserem Campus passiert. Unsere Bindungen als Gemeinschaft wurden auf eine Art und Weise auf eine harte Probe gestellt." Es werde viel Zeit und Mühe erfordern, diese Bindungen wiederherzustellen, schrieb Shafik. "Das Ausmaß unserer Meinungsverschiedenheiten hat in den letzten Tagen nur zugenommen. Diese Spannungen wurden von Personen ausgenutzt und verstärkt, die nicht mit Columbia verbunden sind und auf den Campus kamen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Wir brauchen einen Reset", begründete die Direktorin die Aussetzung der Vorlesungen vor Ort.

Auch auf dem Campus in Berkeley in Kalifornien wird im Hamas-Chic demonstriert.
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Auch Ex-Präsident Donald Trump nahm in einer Äußerung Bezug zu den Zuständen am Columbia-Campus und zog eine Verbindung zu den Protesten, die seinen Prozess in New York begleiten. Trump erklärte, dass die Polizeipräsenz vor dem Gerichtsgebäude seine Anhänger abschrecke, die "wie alle anderen das Recht haben wollen, vor dem Gerichtsgebäude zu protestieren". Die Polizei sollte besser vom Gericht zum Campus der Columbia University umgeleitet werden, um jüdische Studenten zu schützen. Mit dieser Aussage will Trump wohl die wichtige jüdische Wählergruppe in New York umarmen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass Trump in der jüdischen Wählerschaft in den vergangenen Wochen massiv an Zustimmung eingebüßt hat. (Michael Vosatka, 23.4.2024)