Eine Demo für Toomaj Salehi im Februar 2023. Nun gibt es neue Proteste.
EPA

Dass in der Islamischen Republik ein Rapper die Massen mobilisieren kann, zeigt, wie sich die iranische Gesellschaft von ihr auferlegten Zwangsvorstellungen der Herrschenden distanziert. Toomaj Salehi, ein bis vor seiner ersten Verhaftung vor fast zwei Jahren kaum bekannter Rapper, hat mit seinen Songs den Nerv der Menschen getroffen und das wiedergegeben, was die meisten über das System denken: Korruption, Vetternwirtschaft, Verfall der traditionellen Werte und vieles mehr. Kein Wunder, dass nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene der aufgeklärten Mittelschicht ihre Sorgen in seinen Liedern wiederfanden.

Er wurde vor zwei Monaten aus fast zweijähriger Haft entlassen und berichtete sogleich in einem Interview von unmenschlicher Behandlung und Folter während seiner Haft – was zur Folge hatte, dass man ihn erneut verhaftete. Der studierte Ingenieur, der bloß Arbeit in einer Werkstatt fand, verkörpert die Hoffnungslosigkeit der gebildeten Jugend in der Islamischen Republik.

Urteil doch nicht endgültig

Nun hat ein Gericht in Isfahan ihn nach seiner zweiten Verhaftung zum Tode verurteilt. Ein Urteil, das sogar mit den Gesetzen der Islamischen Republik nicht übereinstimmt. Nach eine Welle der Empörung innerhalb der Bevölkerung meinte das Gericht nun, dass dieses Urteil nicht endgültig sei.

Viele namhafte Intellektuelle, Künstler und Journalisten kritisierten das Urteil und verlangten Salehis Freilassung. Daraufhin wurden mehrere Zeitungen verwarnt und Journalisten verhaftet. Inzwischen versucht die Regierung mit allen Mitteln gegen Frauen, die den Hijab nicht tragen, vorzugehen.

Diese Frauen werden von der sogenannten Moralpolizei verhaftet, in Autos gezerrt und zu hohen Geldstrafen verurteilt, trotzdem geht der Widerstand weiter und stellt die Regierung vor große Probleme. Die Islamische Republik gleicht einem besetzen Land, und man munkelt hinter vorgehaltener Hand, dass diese strengen Maßnahmen verhindern sollen, dass die Straßen wieder zum Ort des Widerstands werden.

Offener Brief

Die Nobelpreisträgerin Narges Mohammadi, Mostafa Tajzade, der frühere Vizeinnenminister, und die Religionwissenschafterin Sadighe Wasmaghi, die alle im Gefängnis sind, forderten in einem offenen Brief die Menschen auf, sich mit Toomaj Salehi zu solidarisieren und den Widerstand gegen diese Unrechtsregierung fortzusetzen.

In mehreren Ländern rief die iranische Diaspora zu Massenkundgebungen am Samstag und Sonntag auf, und auch viele Politiker in Europa und den USA haben sich zu Wort gemeldet, unter ihnen der Chef der deutschen Grünen, Omid Nouripor, österreichische Parlamentarier und auch mehrere Europaabgeordnete.

Toomaj Salehi kann allem Anschein nach wieder eine Welle der Straßenproteste im Iran auslösen, Sicherheitskräfte sind an fast allen U-Bahn-Stationen und Knotenpunkten der Städte im Einsatz. Trotzdem setzen vor allem die Frauen ihren Widerstand fort, und die Solidarität der Bevölkerung verhindert öfters deren Verhaftung.

Dem Iran steht ein heißer Sommer bevor. (N.N., 26.4.2024)