Jan Böhmermann hat schon eine Signation für Polizeiversagen in der Mitte Deutschlands: "Immer wieder Hessen." Und sie kommt mehrfach zum Einsatz in der neuesten Folge des "ZDF Magazin Royale" am Freitagabend, in dem der TV-Satiriker im Stakkato ein multiples Versagen der deutschen Polizei beim Terroranschlag in Hanau aufarbeitet. Es gibt hier so gar nichts zu lachen in dieser Abrechnung. "Immer wieder Hessen, das Österreich Westthüringens", greift Böhmermann wieder einmal zu seinem Lieblingsvergleichsobjekt im Süden Deutschlands.

Jan Böhmermann und neun Opfer eines rassistischen Attentäters in Hanau 2020.
Jan Böhmermann und neun Opfer eines rassistischen Attentäters in Hanau 2020.
ZDF Magazin Royale Screenshot

Gewalttätig, psychisch instabil und rassistisch

Neun Menschen wurden bei dem Terrorangriff von einem rechtsradikalen Rassisten am 19. Februar 2020 getötet. Die Akten seien geschlossen, der zuständige Innenminister habe der Exekutive gute Arbeit bescheinigt, der zuständige regionale Polizeichef sei zum Landespolizeipräsidenten befördert worden, erinnert Böhmermann. Nur zwei Beamte bekamen ein Disziplinarverfahren. Sie beobachteten und erlebten und kommentierten in einem Polizeihubschrauber zwei Stunden über Hanau während des Anschlags, was unten am Boden beim Polizeieinsatz alles aus dem Ruder läuft und nicht funktioniert.

Ihre fassungslosen Kommentare zeigt Böhmermann in einem Ausschnitt: Über Funk kommuniziert niemand mit ihnen – "keiner will uns", sagt einer, "wir sind abgehängt. So lang Kanal gewechselt, bis sie uns raus haben. Da kriegst du einen Auftrag hingeworfen und dann bist du dir selbst überlassen. Warum redet keiner mit mir? Jetzt geht gar nichts mehr. Da können wir ja mal froh sein, dass wir hier nicht irgendjemanden von hier rumschießen siehen." Im Disziplinarverfahren wurde ihnen übrigens zur Last gelegt, dass sie das dokumentiert so kommentierten. "Weil sie ausgesprochen haben, was am Boden für ein Chaos herrschte", kommentiert das Böhmermann. Weitere disziplinäre oder strafrechtliche Ermittlungen gab es laut zuständigem Innenministerium im Zusammenhang mit dem Terroranschlag nicht, zitiert der TV-Satiriker dessen Auskunft.

"Er wollte, dass die ganze Welt weiß, ich bin crazy, ich bin gewalttätig, ich bin rechtsextrem, und ich will Menschen vernichten, und zwar ganz gezielt Menschen, die er für minderwertig hielt, weil er ein Rassist war."

Der Täter war in mehreren Fällen als gewalttätig und "psychisch instabil" polizeibekannt, eine Anzeige des Täters habe auf eine Psychose hingedeutet, deretwegen er auch vorübergehend in stationärer psychiatrischer Behandlung war, die wiederum bei Gesundheitsbehörden dokumentiert war. Der Täter besaß dennoch legal zwei Waffen, mit denen er neun Menschen aus rassistischen Motiven tötete und schließlich seine Mutter und sich selbst. Er wandte sich mit seiner Sicht der Welt Monate vor der Tat noch an den Generalbundesanwalt, der sich im Antwortmail mit freundlichen Grüßen als unzuständig für seine "Angelegenheit" erklärte. Er veröffentlichte wenige Wochen vor der Tat ein rassistisches Manifest auf seiner Website, in dem er sich für die Vernichtung bestimmter Völker aussprach. Die Url der Webseite bestand aus seinem Vor- und Nachnamen – und er sprayte die Url vor der Tat in Hanau auf einige Mauern.

Der Mann "wollte, dass die ganze Welt weiß, ich bin crazy, ich bin gewalttätig, ich bin rechtsextrem, und ich will Menschen vernichten, und zwar ganz gezielt Menschen, die er für minderwertig hielt, weil er ein Rassist war", fasst Böhmermann zusammen. Und: "Hätte Deutschland auf dem Schirm, wie gefährlich Rechtsextremisten sind, würden diese neun Menschen wahrscheinlich noch leben."

Der Notausgang jener Bar, in der der Täter Menschen tötete, war versperrt, womit die Gäste in der Falle saßen. Böhmermann zitiert einen Zeugen, dass der Notausgang auf früheres Geheiß der Polizei versperrt gewesen sei, weil ihnen durch diesen bei früheren Razzien Gäste entwischt waren.

Allein am Notruf

Der Polizeinotruf 110 in Südhessen sei nicht in ein zentrales Notrufsystem des Landes integriert worden, womit zwei Notruftelefone und zwei weitere Telefone oft nur mit einer Person besetzt gewesen seien. Ein junger Mann, der den Attentäter mit dem Auto verfolgte, habe den Notruf dabei dreimal angerufen und sei nicht durchgekommen. Er wird wenig später von dem Attentäter ebenfalls getötet. Auch ein anderer Helfer kommt nicht durch, seinen O-Ton spielt Böhmermann in der Sendung. Böhmermann berichtet von Polizeibeamten, die zweimal mit der Bitte um Abrufe aus dem Polizeicomputer den Notruf in der Nacht des Attentats blockierten. Übrigens ohne sich zu verifizieren. Was ein bisschen an Österreich und das Treiben von Egisto Ott erinnert.

Wie war das eigentlich mit der österreichischen Polizei und ihrem Informationsstand über den Attentäter vor dem tödlichen Terroranschlag am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt? Achteinhalb Monate nach dem tödlichen Terroranschlag in Hanau. (Harald Fidler, 27.4.2024)