Bewaffnete Beamte rückten in der Nacht auf Donnerstag auf das von Aktivisten besetzte Protestlager an der Universität in Los Angeles vor.
AFP/ETIENNE LAURENT

Los Angeles / London / Paris – Ein Polizeigroßaufgebot hat ein Protestcamp propalästinensischer Aktivisten an der Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) geräumt. Mit Schutzschilden und Schlagstöcken bewaffnet rückten die Einsatzkräfte in der Nacht auf Donnerstag in das Lager vor. Der US-Sender CNN zeigte am Donnerstagmorgen (Ortszeit) Bilder der Überreste des Camps auf dem Gelände. Zuvor hatten die Beamten demnach aufgestellte Barrikaden niedergerissen und Dutzende Demonstranten festgenommen und abgeführt.

Aktivisten versuchten die Polizisten aufzuhalten. Sie skandierten: "Schiebt sie zurück!" Einige hielten provisorische Schutzschilde und Regenschirme in den Händen, andere wappneten sich mit Helmen, Schutzbrillen und Atemschutzmasken, wie auf den TV-Bildern zu sehen war.

Zeltlager von 300 bis 500 Aktivisten

In dem etwa fußballfeldgroßen Zeltlager hielten sich nach Schätzungen von Lokalmedien 300 bis 500 Aktivisten auf. Weitere 2000 versammelten sich aus Solidarität vor den Barrikaden. Trommelnd und mit "Schämt euch"-Rufen hatten sie die Hundertschaften der Polizei empfangen, als diese an der Universität eintrafen. Einige Aktivisten schwenkten Palästinenserfahnen, viele trugen das traditionelle Palästinensertuch. Eine deutlich kleinere Gruppe von Demonstranten hielt israelische Fahnen hoch und forderte die Polizei mit Sprechchören auf, das Zeltlager aufzulösen.

Die Protestierenden errichteten Zeltlager auf dem Universitätscampus.
REUTERS/David Swanson

Die Universitätsleitung hatte das Camp zuvor als widerrechtliche Aktion eingestuft. In der Nacht auf Mittwoch war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen, als eine vermummte Gruppe mutmaßlich proisraelischer Gegendemonstranten das Zeltlager mit Stöcken und Stangen angriff. Universitätsvertreter machten nicht näher bezeichnete "Anstifter" für den Tumult verantwortlich und kündigten eine Untersuchung an. Bis zu dem Vorfall hatten die Aktivisten des vergangene Woche errichteten Zeltlagers sich weitgehend friedlich verhalten.

Biden verurteilt Gewalt

US-Präsident Joe Biden verurteilte Gewalt bei den Protesten aufs Schärfste. "Es gibt das Recht zu protestieren, aber nicht das Recht, Chaos zu verursachen", sagte Biden am Donnerstag in einer kurzfristig anberaumten Rede im Weißen Haus. Auch für Antisemitismus oder Gewaltandrohungen gegen jüdische Studenten dürfe es keinen Raum auf dem Campus geben. Das gelte auch für Islamophobie oder die Diskriminierung arabischstämmiger Amerikaner.

Zahlreiche Aktionen auch an anderen US-Unis

Die Auflösung ist kein Einzelfall. Erst am späten Dienstagabend hatte die New Yorker Polizei ein propalästinensisches Protestlager auf dem Campus der Eliteuniversität Columbia aufgelöst. Der Bürgermeister von New York City, Eric Adams, sprach von insgesamt etwa 300 Festnahmen an der Columbia-Universität sowie am City College der US-Metropole.

Festnahmen gab es zuvor auch bei Protesten in anderen Universitäten, hier etwa an der Columbia.
REUTERS/David Dee Delgado

Auch an anderen amerikanischen Universitäten hat es bereits zahlreiche Aktionen aus Solidarität mit den Palästinensern gegeben. Am Dartmouth College im US-Staat New Hampshire wurden nach Angaben der Polizei der Stadt Hanover 90 Protestierende festgenommen. Ihnen wurde unerlaubtes Betreten und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen, nachdem unerlaubterweise Zelte auf dem Gelände errichtet worden waren. Bei den Festgenommenen handelte es sich laut Polizei nur zum Teil um Dartmouth-Studierende oder -Lehrende.

In Dallas nahm die Polizei bei der Räumung eines Protestcamps auf dem Gelände der Universität von Texas mindestens 20 Menschen in Gewahrsam, die die Nacht im Gefängnis verbringen sollten, wie der Sender Fox4 berichtete. Eine zunächst friedlich begonnene Demonstration auf ihrem Gelände sei ausgeartet, teilte auch die Stony Brook University in New York mit. Zelte seien errichtet, andere Studierende eingeschüchtert und belästigt worden. 29 Protestierende seien daraufhin festgenommen worden, darunter neben Studierenden und Mitarbeitern demnach auch nicht der Hochschule Angehörige.

Erweiterte Antisemitismusdefinition gefordert

Das US-Repräsentantenhaus stimmte inmitten der propalästinensischen Uni-Proteste für eine Erweiterung der rechtlichen Definition von Antisemitismus. Die Abgeordneten votierten am Mittwoch für einen parteiübergreifenden Entwurf, der vorsieht, dass das Bildungsministerium sich künftig an der Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz für Holocaustgedenken (IHRA) orientiert.

Studierende der UCLA errichtet Blockaden rund um das Protestlager.
EPA/ALLISON DINNER

Dieser Definition zufolge ist Antisemitismus "eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber diesen" ausdrücken könne. "Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen." Es sei auch eine Form von Antisemitismus, dem jüdischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung abzuerkennen, etwa "durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen", heißt es in der Definition der IHRA.

Der Gesetzentwurf muss nun noch vom Senat verabschiedet werden. Kritiker des Vorhabens, darunter die Bürgerrechtsorganisationen ACLU, warnen vor einer Einschränkung der freien Meinungsäußerung. Die Befürworter des Gesetzes argumentieren hingegen, es könne zur Bekämpfung von Hass auf dem Campus beitragen.

Protestaktionen auch an britischen Universitäten

Ähnlich wie in den USA finden an einigen Universitäten in Großbritannien ebenfalls propalästinensische Protestaktionen statt. Studenten in den Städten Leeds, Newcastle und Bristol hätten am Mittwoch aus Protest gegen den Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen Zelte vor Universitätsgebäuden aufgebaut, meldete die britische Nachrichtenagentur PA in der Nacht auf Donnerstag. Fotos aus Manchester zeigten ebenfalls einige Zelte mit palästinensischen Flaggen.

Studierende protestieren auch in Großbritannien, etwa in Leeds, Newcastle, Bristol oder Manchester.
AP/Owen Humphreys

Die "Times" berichtete, die Camps in Großbritannien hätten aber nur einen Bruchteil des Umfangs wie die an den US-Universitäten Yale und Columbia. In Großbritannien kommt es immer wieder zu Protesten, seit der Terrorangriff der militanten Palästinenser-Organisation Hamas auf Israel am 7. Oktober den Militäreinsatz Israels im Gazastreifen ausgelöst hatte. Der "Times" zufolge sollen die Protestaktionen schon vor der Demonstrationswelle in den USA geplant gewesen sein, nun aber neuen Schwung bekommen haben. (APA, red, 2.5.2024)