Cesar Luis Menotti
César Luis Menotti hatte nicht immer Erfolg, aber viel Einfluss mit seiner These, dass der Fußball aus dem Volk kommt.
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Der Größte unter den argentinischen Fußballern hat dem Größten unter den argentinischen Fußballlehrern eine der schönsten Reverenzen erwiesen. "Die Zeit verstreicht, aber die Bewunderung ist immer noch dieselbe", schrieb Diego Maradona an César Luis Menotti zu dessen 80. Geburtstag. Der "Goldjunge", der unter Menotti 1979 Juniorenweltmeister geworden war, starb dreieinhalb Jahre vor seinem Trainer und war dabei 25 Jahre jünger.

Verzweiflung des Zweiflers

1978 hatte der charismatische Coach den 17-jährigen Maradona für noch nicht reif genug befunden, um mit der Albiceleste bei der Erwachsenen-Heim-WM zu reüssieren. Nicht wenige erklärten "El Flaco", den Dürren, deshalb für verrückt.

Nachdem Mario Kempes und Kollegen die Niederländer Ernst Happels im rauschenden Finale zu Buenos Aires mit 3:1 nach Verlängerung bezwungen hatten, waren die Zweifel an Menotti dahin. Dessen eigene Zweifel klangen nie ab und wurden viel später zur Verzweiflung. Schließlich hatte er als Kommunist mit Parteibuch der Militärdiktatur die Gelegenheit zum Ausschlachten eines Triumphes gegeben und sie zeitnah nur indirekt kritisiert ("Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt"). Er habe wohl gewusst, welchen Herren er gedient hatte, sagte Menotti später, das wahre Ausmaß der begangenen Gräueltaten sei ihm aber nicht bewusst gewesen.

Maximum der Freiheit

"Ein Minimum an Ordnung und ein Maximum an spielerischer Freiheit", lautete sein Trainercredo schon, als er mit Außenseiter CA Huracán 1973 den argentinischen Meistertitel geholt hatte. "Offensiv, sauber, fröhlich" statt nur ergebnisorientiert wollte er immer spielen lassen. Sein "linker" Fußball feierte Erfolge, ging aber auch schief.

Im Jahr nach dem Scheitern der Weltmeister im Schatten des zu Ende gehenden Falklandkrieges bei der WM 1982 in Spanien gab er die Selección ab. Für Argentiniens Verband AFA blieb Menotti ein "eterno campeon", ein ewiger Champion.

Legenden unter sich: Diego Maradona und sein Cesar Luis Menotti beim FC Barcelona.
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Als solcher tingelte der starke Raucher durch die Fußballwelt. "Ein Toptrainer, aber wenn er mit einem Spieler geredet hat, hat er gefragt, ob es Frau und Kindern gutgeht. Ansonsten saß er auf der Bank und rauchte 50 Zigaretten", beschrieb Bernd Schuster, mit dem er 1983 beim FC Barcelona die Copa del Rey gewonnen hatte, Menottis Arbeitsweise.

Die war noch bis 2008 bei zehn weiteren Klubs und für ein Jahr auch bei der Auswahl Mexikos zu beobachten. 2011 schwebte der Mann aus Rosario, der dem Fußball den intellektuellen Überbau besorgte, infolge einer Lungenentzündung in Lebensgefahr – das Ende einer Raucherkarriere. Seither versucht sich Menotti vergebens mit einer stets griffbereiten Packung seiner Lieblingszigaretten.

Der Tod schlampt nicht

Im April 2017 hat Menotti seine virtuelle Trainerschule veröffentlicht. "Bevor ich sterbe, wollte ich etwas hinterlassen." Der Tod, so wünscht er wohl, möge wie dereinst sein Vater schlampen. "Ich bin eigentlich am 22. Oktober geboren, aber anscheinend hat mein Vater bei meiner Geburt gesagt: 'Lasst uns etwas abwarten, bevor wir ihn wegwerfen.'" In Wahrheit war der Arzt Antonio Menotti zwei Tage nach der Geburt verreist und musste bei seiner Rückkehr feststellen, dass die Frist zur Einschreibung des Kindes am Standesamt verstrichen war. Weshalb er kurzerhand den 5. November als Geburtsdatum angab.

Unbestritten ist das Todesdatum Menottis, der zuletzt noch als Berater im argentinischen Verband wirkte. Lionel Messi, der wie er aus Rosario stammt, war am 5. Mai an sechs Toren von Inter Miami beteiligt. Dennoch ist dieser 5. Mai nicht nur für Argentinien ein Trauertag.

"César Menotti war viel mehr als nur ein Kollege, er war ein Freund und ein unschätzbarer Mentor für mich. Seine Leidenschaft für das Spiel, seine taktische Weisheit und seine Bescheidenheit inspirierten ganze Generationen von Spielern und Trainern, mich eingeschlossen", schrieb der 1978er-Weltmeister und WM-Torschützenkönig Mario Kempes (69) auf Instagram. Messi (36), der als Kapitän Argentinien 44 Jahre später in Katar zum dritten WM-Titel führte, schrieb: "Eine der großen Figuren unseres Fußballs hat uns verlassen. Mein Beileid an seine Familie und Angehörigen." (Siegfried Lützow, 6.5.2024)