Dominic Thiem gewann in seiner Karriere 17 Turniere, darunter die US Open 2020.
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Im Video sitzt er auf einem Sessel vor einem – wo sonst? – Tenniscourt. In Weiß gekleidet sagt er, er habe seine sehr wichtige Nachricht mitzuteilen. Eine sehr traurige und zugleich eine sehr schöne. Dominic Thiem hat am Freitag um zwölf Uhr sein Karriereende als Tennisprofi angekündigt. Die Saison 2024 wird seine letzte sein, teilte der 30-Jährige über seine Accounts in sozialen Medien mit. Sein Handgelenk und sein "inneres Gefühl" seien für den Schritt verantwortlich.

"Meine Reise war unglaublich, mit allen Aufs und Abs, für die ich sehr dankbar bin", sagte Thiem im ersten Abschiedsvideo, weitere sollen folgen. "Die Entscheidung ist die einzig richtige, ich bin sehr glücklich damit und schon gespannt auf alles, was als Nächstes kommt." Weitere Details gab Thiem zunächst nicht bekannt, er kündigte Videos für die kommenden Tage an, in denen er genauer auf die Rücktrittsgründe eingehen und auf seine Karriere zurückblicken will.

Handgelenk spielt nicht mit

Thiem ist neben Thomas Muster der einzige österreichische Tennisspieler, der einen Grand-Slam-Titel im Einzel gewinnen konnte. Bei den US Open 2020 feierte Thiem den größten Erfolg seiner Karriere, er holte 16 weitere Turniersiege auf der ATP-Tour und stand bei drei weiteren Majors im Finale. Über die gesamte Laufbahn verdiente er mehr als 28 Millionen Euro an Preisgeld. Knapp ein Jahr lang war Thiem die Nummer drei in der Weltrangliste – die höchste Platzierung seiner Karriere. Aktuell steht Thiem in den ATP-Rankings auf Platz 117.

Eine Verletzung am Handgelenk, zugezogen beim Rasenturnier auf Mallorca, zwang Thiem ab Juni 2021 zu einer langen Pause, erst im Frühjahr 2022 kehrte er auf die Profiebene zurück. Zu alter Form fand der Niederösterreicher nicht mehr zurück, in Kitzbühel im vergangenen Jahr spielte er sich immerhin ins Finale. Das lädierte Handgelenk ist jedenfalls ein wichtiger Grund für Thiems Rückzug aus dem Profitennis. "Das Handgelenk ist nicht so, wie es sein sollte und wie ich es gern hätte", sagte er.

Der Spaß am Sport dürfte Thiem durch die Verletzung vermehrt abhandengekommen sein. Schon nach dem Grand-Slam-Sieg sprach er davon, in der Vorbereitung auf die Folgesaison "in ein Loch gefallen" zu sein. "Ich fand es immer schwierig, Siege richtig zu genießen", sagte Thiem in einem Interview mit dem STANDARD vor etwas mehr als einem Jahr. "Ich versuche, davon wegzukommen, eine Maschine zu sein. Nicht mehr stundenlang trainieren, ohne über irgendetwas nachzudenken. Ich versuche, die schönen Dinge mehr zu genießen."

Schwartzman bietet sich als Doppelpartner an

In ersten Reaktionen gratulierten Thiem namhafte Sportler zu seiner Karriere. ÖFB-Nationalspieler Christoph Baumgartner schrieb auf Instagram: "Unfassbare Karriere, alles Gute für deine Zukunft." Skirennläufer Marco Schwarz schrieb: "Gratuliere zu deiner gewaltigen Karriere." Skisprung-Gesamtweltcupsieger Stefan Kraft hielt sich kurz und kommentierte: "Champion."

Thiems langjähriger Trainer Günter Bresnik sagt in der Kleinen Zeitung: "Für mich war Dominic besser als Thomas Muster. Er hat zwar nicht so viele Turniere gewonnen und war nie die Nummer eins, doch hatte er es in einer Zeit mit Federer, Djokovic, Nadal und Murray viel schwerer. Außerdem stand er im Gegensatz zu Muster auch noch in drei Grand-Slam-Endspielen."

Der Argentinier Diego Schwartzman, der seinerseits zuletzt sein Karriereende für Februar 2025 ankündigte, bot sich als Doppelpartner bei Thiems möglicherweise letztem Profiturnier im Oktober in Wien an. "Wiener Doppel-Show", schrieb Schwartzman. "Ein letztes Mal, Partner." Zum genauen Turnierplan wollte Thiems Manager und Bruder Moritz Thiem zunächst keine Details nennen.

Davis-Cup-Kapitän Jürgen Melzer sagte im ORF: "Man muss ihm dankbar sein. Er hat die österreichische Flagge im Ausland extrem gut repräsentiert. Es ist extrem schade, dass es so früh zu Ende ist."

Ex-Profi Stefan Koubek schrieb in seiner Kolumne in der Kronen Zeitung: "Oft hatte ich das Gefühl, Dominic kratzt noch einmal die Kurve. Doch in den vergangenen Wochen ist es eher schlechter als besser geworden, er befindet sich – für einen Spieler seiner Klasse – im Niemandsland der Weltrangliste." Koubek verstehe Thiems Entscheidung, da die Situation "sehr unbefriedigend" sei. "Das wirkliche Leben fängt erst danach an", schrieb Koubek weiter. "Alle Tennis liebenden Menschen in Österreich müssen Thiem dankbar sein – er hat das Land auf der internationalen Bühne über Jahre würdig vertreten, Tennis in Österreich auf eine neue Stufe gehoben." (Lukas Zahrer, 10.5.2024)