Sechs Jahrzehnte ist es her, dass die sogenannten Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in den Betrieben zwischen Bregenz und Eisenstadt das österreichische Wirtschaftswunder wahrmachten. Zu ihnen gehörten seit einem bilateralen Anwerbeabkommen 1964, drei Jahre zuvor von den Sozialpartnern im Raab-Olah-Pakt vorbereitet, auch Tausende aus der Türkei. Schnell wurde klar: Sie sind gekommen, um zu bleiben.

Außenminister Alexander Schallenberg besucht die Türkei.
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Vor allem die ÖVP hatte sich damals für die Aufnahme der Gastarbeiter starkgemacht – des dringenden Bedarfs der österreichischen Industrie nach Arbeitskräften wegen. Außenminister Alexander Schallenberg, der am Montag zu einem zweitägigen Besuch in der türkischen Hauptstadt Ankara aufbricht, wird aber auch ein zweites Jubiläum im Auge haben: Österreich und die Türkei, beide Nachfolgestaaten riesiger Reiche, feiern heuer den 100. Jahrestag der Unterzeichnung ihres Freundschaftsvertrags.

So passend der Anlass auch scheint, ob wirklich Feierlaune aufkommt, wenn Schallenberg den türkischen Außenminister Hakan Fidan sowie Innenminister Ali Yerlikaya trifft, ist zweifelhaft. Angesichts der Weltlage stehen Themen wie Sicherheitspolitik, Migration sowie die Rolle der Türkei als Vermittlerin in regionalen Konflikten im Mittelpunkt des Besuchs.

Erfolglose Gespräche

Staatschef Recep Tayyip Erdoğan dient sich mit seinem Land, das ebenso wie Russland und die Ukraine ans Schwarze Meer grenzt und mit dem Bosporus zudem eine wichtige Handelsroute für ukrainisches Getreide kontrolliert, als Vermittler zwischen Moskau und Kiew an. Kurz nach Kriegsbeginn war die Metropole Istanbul schon einmal Gastgeberin für ebenso direkte wie erfolglose Gespräche der Konfliktparteien.

Im zweiten akuten Konflikt in unmittelbarer Nachbarschaft der Türkei, jenem zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, bemüht sich Erdoğan weit weniger um das Bild des neutralen Mittlers. Offen stellte sich Ankara auf die Seite der Hamas, zuletzt verhängte man sogar einen Handelsboykott gegen Israel, dessen Regierungschef Benjamin Netanjahu Erdogan einen "Schlächter" nannte. (Florian Niederndorfer, 13.5.2024)