Ein Beispiel aus der Praxis: Frau A ist Pendlerin und auf ein Auto angewiesen. Das Familienauto gehört aber ihrem Mann B. Verstirbt B, fällt das Auto in seinen Nachlass und Frau A ist zunächst nicht mehr berechtigt, das Auto zu nutzen.

Solche oder ähnliche Konstellationen kommen in der Praxis häufig vor und können für die Betroffenen äußerst unangenehm sein. Man denke beispielsweise an den verstorbenen Vermieter, der eine Kaution zurückzahlen müsste. Je nach Dauer und Verlauf des Verlassenschaftsverfahrens muss der Mieter hier einen langen Zeitraum auf seine Kaution warten.

Kalender mit der Notiz Notar Testament
Die Erbschaft treten Erben an, indem sie vor dem Gericht oder Gerichtskommissär (Notar) eine gültige Erbantrittserklärung abgeben.
IMAGO/Zoonar

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, wer in welchen Stadien eines Verlassenschaftsverfahrens berechtigt ist, den Nachlass zu vertreten.

Der ruhende Nachlass

Erst mit der Einantwortung (gerichtliche Übertragung der Verlassenschaft in den Besitz des Erben) der Erbschaft an die Erben geht die Verlassenschaft in das Eigentum und die uneingeschränkte Verfügungsmacht der Erben über. Zwischen dem Tod einer Person und dem Zeitpunkt der Einantwortung besteht der ruhende Nachlass als sogenannte juristische Person. Als solche braucht der Nachlass jemanden, der ihn verwaltet und vertritt.

Vertretung durch die Erben selbst

Nach dem Gesetz ist das Recht zur Benützung, Verwaltung und Vertretung durch die Erben an drei Voraussetzungen geknüpft:

Die Erbschaft treten Erben an, indem sie vor dem Gericht oder Gerichtskommissär (Notar) eine gültige Erbantrittserklärung abgeben. Ein hinreichender Ausweis des Erbrechts erfolgt bei gesetzlicher Erbfolge durch die Vorlage entsprechender Standesbelege (Nachweis der Verwandtschaft), bei Berufung auf ein Testament durch die Vorlage geeigneter Urkunden. Eine anderslautende Anordnung des Verlassenschaftsgerichts hindert auch bei Vorliegen der bereits genannten Voraussetzungen die Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses durch die Erben. Das Gericht könnte beispielsweise bei Uneinigkeit der Erben einen Verlassenschaftskurator bestellen, der die Verlassenschaft vertritt.

Sobald die Voraussetzungen vorliegen, erwerben die Erben das Recht zur Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft (hierzu bedarf es keinen gesonderten Beschluss des Verlassenschaftsgerichts). Auf Antrag der Erben kann der Gerichtskommissär eine sogenannte Amtsbestätigung über die Vertretungsbefugnis ausstellen.

Mehrere Erben üben das Recht gemeinsam aus, außer es wurde etwas anderes vereinbart. Die Vertretungs- und Verwaltungshandlungen bedürfen der Einstimmigkeit.

Hierbei muss auch zwischen ordentlichen Maßnahmen (beispielsweise die Zahlung der laufenden Kosten für die Wohnung des Verstorbenen, Überweisungen der laufenden Rechnungen des Nachlasses) und außerordentlichen Maßnahmen (beispielsweise das Erheben einer Klage, der Verkauf einer Liegenschaft) unterschieden werden. Außerordentliche Maßnahmen benötigen immer zusätzlich die Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts.

Bis die oben genannten Voraussetzungen vorliegen, kommt den Erben kein Recht zur Verwaltung, Vertretung und Benützung der Verlassenschaft zu, was vor allem dann zu Problemen führen kann, wenn dringliche Entscheidungen oder Aufgaben anstehen. Dies könnte etwa die oben erwähnte Rückzahlung einer Kaution sein, aber auch dringende Reparaturarbeiten an Nachlassgegenständen oder Entscheidungen in Unternehmen, die in den Nachlass fallen.

Vertretung durch einen Verlassenschaftskurator

Für den Fall, dass die Verlassenschaft unvertreten bleibt oder dass es mehrere Erben gibt und diese einander widersprechende Erbantrittserklärungen abgeben beziehungsweise bei Uneinigkeit der Erben, hat das Verlassenschaftsgericht einen sogenannten Verlassenschaftskurator zu bestellen.

Verlassenschaftskuratoren vertreten nicht die Interessen der Erben oder sonstiger Beteiligter, sondern ausschließlich die Interessen des ruhenden Nachlasses. Der Verlassenschaftskurator ist in der Verwaltung und Vertretung des Nachlasses aber nicht frei. Vielmehr unterliegt er nicht nur gerichtlichen und gesetzlichen Vorgaben, sondern muss auch die Meinungen und Absichten der Erben angemessen berücksichtigen.

Die Möglichkeit der Bestellung eines Kurators kann bei Uneinigkeit der Erben zur Konsensfindung motivieren, da der Verlust von Einflussmöglichkeiten sowie nennenswerte Kosten mit der Bestellung des Kurators einhergehen. Jedenfalls verhindert die Bestellung eines Verlassenschaftskurators Pattstellungen bei der Vertretung des Nachlasses und sichert die Handlungsfähigkeit des ruhenden Nachlasses; das ist gerade bei Erbstreitigkeiten wichtig und verhindert Schaden für den Nachlass. (Katharina Müller, Martin Melzer, 24.5.2024)