Frau im Hintergrund, Gesicht ist verschwommen, hält Eisbecher in die Kamera
In den Tiefkühlregalen finden sich auch zahlreiche kalorienreduzierte Eissorten. Ihr Versprechen: Sie schlagen sich weniger auf die Hüften. Doch stimmt das wirklich?
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Light-Produkte, so will es die Werbung, sind leicht – und darum tun sie unserer Figur gut. Die ist ja schließlich auch nur gut, wenn sie leicht ist, an Kilos nämlich. "Ich will so bleiben, wie ich bin", trällerte es schon in den späten 1980er-Jahren aus den Fernsehern, um folgenlose Butter-, Wurst- und Camembert-Versprechen zu bewerben. Und bis heute hat sich an den Werbebotschaften für schlankhaltende Lebensmittel, abgesehen von der Ästhetik, nicht viel geändert. Doch was an Light-Produkten ist tatsächlich leicht? Oder besser gesagt: gering – wofür das Synonym "light" wohl steht. Die Kalorienanzahl? Der Fettgehalt? Die Zuckermenge? Die Auswirkungen auf die Figur?

Nicht viel, schaut man sie die neuesten Erkenntnisse der Ernährungswissenschaften an. Light- und hochverarbeitete Produkte – zu denen nicht wenige Diätgerichte gehören – geraten immer mehr in Verruf. Sie sollen, statt schlank zu halten, für die Gesundheit negative Inhaltsstoffe haben, den Stoffwechsel durcheinanderbringen und am Ende sogar für mehr Kilos auf den Hüften sorgen – also von wegen "so bleiben, wie ich bin".

Man muss sich immer anschauen, um welches Produkt es sich handelt, differenziert Holly Wilkinson. Die Ernährungswissenschafterin unterstützt in der neuen Staffel der Puls-4-Sendung So lebt sich's leichter! immer dienstags Menschen bei der Ernährungsumstellung inklusive Abnehmen. "Zum Beispiel griechisches Joghurt, das gibt es mit null Prozent Fett genauso wie in der Vollwertstufe mit zehn Prozent Fett. Esse ich dieses Joghurt gerne und oft, kann es durchaus Einfluss auf das Körpergewicht haben, wenn ich hier umstelle."

Freifahrtschein zum Futtern

Man sollte sich das aber trotzdem im Vorfeld überlegen. "Gerade bei Milchprodukten kann es sein, dass die fettärmere Variante nicht mehr so gut sättigt, dass sich das Mundgefühl verändert und dass es insgesamt nicht mehr so zufriedenstellt", weiß Wilkinson. Wird die unbewusste Erwartungshaltung aber nicht erfüllt, tendiert man dazu, mehr vom Gleichen zu essen, bis sich die Zufriedenheit einstellt. "Da zeigt sich schon recht deutlich der erste Trugschluss bei Light-Produkten."

Um genau dieses veränderte Mundgefühl zu umgehen, hat sich die Lebensmittelindustrie natürlich einiges überlegt. Um etwa Fett, das ein wichtiger Geschmacksträger ist, zu ersetzen, kommen oft Geschmacksverstärker, Emulgatoren oder auch Zucker dazu, diese kreieren ein neues Konsumerlebnis. Das hat womöglich tatsächlich weniger Kalorien. Man bekommt aber auch Inhaltsstoffe serviert, die man an sich nicht konsumieren möchte.

Und dann kommt noch ein psychischer Aspekt dazu, den man nicht unterschätzen sollte. Wilkinson weiß aus der Praxis: "Ein Light-Produkt ist, mit dem Wissen, dass es weniger Kalorien hat, fast schon eine Einladung, mehr davon zu essen, als man das beim herkömmlichen Produkt tun würde. Vor allem wenn man in einem Diätkreislauf gefangen ist." Für nicht wenige seien Proteindesserts, Fitnessriegel oder Light-Eiscreme unbewusst eine Art "Freifahrtschein fürs Futtern". Statt ein normales, bewusstes Essverhalten zu fördern, erkennt man durch solche Produkte den eigenen Sättigungspunkt womöglich noch schlechter.

Der Darm leidet mit

Vor allem bei süßen Speisen kann es schwer sein, aus diesem Teufelskreis auszusteigen. Immerhin sind wir evolutionär bedingt darauf getrimmt, zu Süßem zu greifen. Diese Geschmacksrichtung signalisiert, dass die Speise sicher ist, außerdem schnell viel Energie liefert und somit das Überleben sichert. Um Zucker zu sparen, der ja bekanntlich nicht das Beste für Insulinhaushalt und Zahngesundheit ist, ersetzt die Lebensmittelindustrie den süßen Geschmack in Light-Produkten meist mit Zuckerersatzstoffen. Das kann in großen Mengen aber vielschichtige Auswirkungen auf den Stoffwechsel haben.

Wie genau Zuckerersatzstoffe wirken, ist noch nicht im Detail erforscht, man geht aber davon aus, dass durch ihren Konsum keine Sättigungshormone freigesetzt werden, das zeigen jedenfalls Studien. Das bedeutet, dass auch kein Belohnungsgefühl ausgelöst wird, man neigt dazu, mehr zu essen. Dazu kommt, dass künstliche Süßstoffe womöglich das Mikrobiom im Darm, also die dort lebende Bakterienvielfalt, verändern – und das nicht zum Positiven. "All diese Austauschstoffe sind in ihrer langfristigen Wirkung noch nicht gut genug erforscht", sagt auch Wilkinson.

Und dann gibt es, je nach Produkt, auch noch andere, eher diffuse Folgen. "Manche Menschen erzählen mir, dass sie einen nervösen Magen haben, schlecht schlafen und sich ständig hibbelig fühlen. In der Analyse kommt man dann drauf, dass sie hauptsächlich Cola Light trinken", berichtet Wilkinson aus der Praxis. Das sind zwar keine versteckten Kalorien, aber man konsumiert trotzdem Koffein, Kohlensäure und mehr in Mengen, von denen man einfach nicht weiß, wie sie sich auf Stoffwechsel und Psyche auswirken.

Die Sucht nach mehr

Seit einigen Jahren stehen außerdem vor allem hochverarbeitete Produkte in der Kritik – zu denen ja auch viele Light-Produkte gehören. Als hochverarbeitet oder ultraprozessiert bezeichnet man Lebensmittel, die durch mehrere Verarbeitungsschritte gegenüber ihrer ursprünglichen Konsistenz stark verändert wurden. Sie enthalten oft nur noch wenig Nährstoffe, dafür viele Geschmacksverstärker, Emulgatoren und weitere Zusatzstoffe – auf der Zutatenliste vor allem zu finden unter den E-Nummern.

Genau diese starke Veränderung der ursprünglichen Lebensmittel bringt den Stoffwechsel aber umso mehr durcheinander. Die Produkte stehen im Verdacht, so konzipiert zu sein, dass das Sucht- und Belohnungszentrum im Gehirn getriggert wird, man will dementsprechend immer mehr davon – mit fatalen Folgen für das natürliche Sättigungsgefühl.

Was soll man also essen, wenn all diese Produkte nicht gut für uns sind? Ab und zu will man einfach auch zu Süßem oder salzigen Snacks greifen, und das ohne gravierende Folgen. Wilkinson plädiert für mehr Bewusstsein, sich klarzumachen, welche Mechanismen Light-Produkte und hochverarbeitete Gerichte in unserem Organismus auslösen. Entsprechend sollte man sie sehr reduziert konsumieren. Wilkinson rät: "Wenn man wirklich Gusto auf Chips, Eis oder Ähnliches hat, dann kann man das auch essen. Es bringt nichts, stattdessen zum Apfel zu greifen, der befriedigt einen nicht." Stattdessen sollte man sich bewusst eine Portion schön herrichten und diese nicht nebenher essen, sondern so richtig genießen. Dadurch können Gehirn und Belohnungszentrum sie auch wirklich wahrnehmen, ein Nachschlag ist potenziell nicht mehr nötig. (Pia Kruckenhauser, 27.5.2024)