David Alaba wird als
David Alaba wird beim Team sein, auch wenn ein Comeback noch zu früh ist.
APA/EVA MANHART

Wien – So schmerzhaft David Alabas EM-Ausfall auch für Österreichs Fußball-Nationalteam ist – für den Kapitän ist es laut einem Experten für Kreuzbandverletzungen besser, nicht bei der Endrunde dabei zu sein. Marcus Hofbauer, Mannschaftsarzt der Wiener Austria und auf Knieverletzungen spezialisiert, hält eine ausreichend lange Pause Alabas für äußerst sinnvoll. Bei einem vorschnellen Comeback wäre die Gefahr einer neuerlichen Verletzung zu groß gewesen, sagte der Mediziner.

Für Hofbauer wäre ein EM-Einsatz von Alaba unabhängig von der jüngst durchgeführten Arthroskopie mit einem "Roulettespiel" vergleichbar gewesen. "Das Risiko einer neuerlichen Kreuzbandverletzung ist deutlich erhöht, wenn man nach sechs Monaten zurückkehrt. Jedes Monat, das man länger wartet, halbiert sich die Re-Rupturrate, das wissen wir aus Statistiken", betonte Hofbauer.

Alabas Kreuzband riss am 17. Dezember des Vorjahres, also genau sechs Monate vor dem ersten EM-Match gegen Frankreich. "Selbst wenn man Profi ist und jeden Tag sechs bis acht Stunden Physiotherapie absolviert – die wenigsten schaffen es, die Kriterien zu erfüllen, um nach sechs Monaten wieder Profi-Fußball-Spiele machen zu können", sagte Hofbauer und meinte außerdem: "Jeder seriöse Kreuzbandchirurg weiß, dass sich sechs Monate bei einem Kreuzbandriss nicht ausgehen."

Komplexe Verletzung

Der Heilungsprozess sei bei dieser Verletzung komplex. "Ein gerissenes Kreuzband wird durch eine körpereigene Sehne ersetzt, und wir sehen in Studien, dass dieser histologische Umbauvorgang eine gewisse Zeit braucht – mindestens neun bis zwölf Monate", erklärte Hofbauer und wies darauf hin, dass ein gerissenes bzw. neu eingesetztes Kreuzband auch Veränderungen im Gehirn bewirkt. "Im Kreuzband gibt es Nervenendungen mit Schaltungen zum Gehirn. Bei einer implantierten Sehne dauert es, bis diese Nervenendungen reinwachsen. Es braucht Zeit, bis die neurofunktionale Kette wieder funktioniert."

Zudem gehe ein Kreuzbandriss oft mit Begleitverletzungen wie einem Meniskusriss oder – im schlimmsten Fall – einem Knorpelschaden einher, was den Heilungslauf zusätzlich verzögere, so Hofbauer. Daher sei Geduld gefragt. "Die Operation selbst dauert 45 bis 90 Minuten, aber danach wartet ein Marathon. Es gibt einfach keine Wunderheilung, man kann die Natur nicht austricksen."

Kopfschütteln wegen Xaver Schlager

Xaver Schlager gelang es immerhin, etwas mehr als fünf Monate nach seinem Ende August 2021 erlittenen Kreuzbandriss wieder ins Mannschaftstraining einzusteigen. Nicht einmal sechs Monate nach der Operation gab der damalige Wolfsburg-Profi sein Pflichtspiel-Comeback – was bei Hofbauer noch heute für Kopfschütteln sorgt. "Das war eine Bauchweh-Geschichte und hatte mit einer seriösen Reha nichts zu tun."

Schlager hatte laut Hofbauer großes Glück, dass er seine frühe Rückkehr zunächst nicht teuer bezahlen musste. "Man kann mit 250 km/h über eine schneebedeckte Straße fahren – das kann gutgehen, tut es in der Regel aber nicht." Ironie der Geschichte, dass Schlagers Risiko damals ohne negative Konsequenzen blieb, er nun aber trotzdem wie Alaba wegen eines Kreuzbandrisses für die EM ausfällt. Dafür wird Alaba in einer anderen Rolle bei der EM dabei sein, nämlich als eine Art "Non-playing Captain", wie Teamchef Ralf Rangnick am Dienstag ankündigte. Der Real-Madrid-Profi soll als Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainerstab agieren. (APA, red, 22.5.2024)