Nikki Haley und Donald Trump
Nikki Haley und Donald Trump 2018.
AFP/OLIVIER DOULIERY

Washington – Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump kann bei der Wahl im November auf die Stimme seiner einstigen parteiinternen Konkurrentin Nikki Haley zählen. Sie sei zwar mit Trump politisch nicht immer auf einer Linie, sagte Haley bei einer Veranstaltung am Mittwoch in Washington. Daran habe sich nichts geändert. Der demokratische Amtsinhaber Joe Biden sei jedoch "eine Katastrophe", erläuterte Haley. "Deshalb werde ich für Trump stimmen."

Die frühere US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen hatte sich bei den internen Vorwahlen der Republikaner um die Präsidentschaftskandidatur ein wochenlanges Duell mit Trump geliefert, war jedoch chancenlos und gab sich schließlich geschlagen. Damit kommt es im US-Wahlkampf zu einer Neuauflage des Duells zwischen Trump und Biden, der bei der Wahl am 5. November erneut antreten will und in seiner Partei keine echte Konkurrenz hat.

Michael Haley war im Saal, als seine Frau am Mittwochabend die wohl atemberaubendste Wende ihres politischen Lebens vollzog. Noch im Februar, kurz vor den republikanischen Vorwahlen in South Carolina, hatte Donald Trump den 54-jährigen Soldaten, der sich zu dieser Zeit im Einsatz am Horn von Afrika befand, verhöhnt und insinuiert, dass er seine Frau verlassen habe. "Was ist mit ihrem Mann passiert?", johlte Trump bei einer Kundgebung. "Er ist gegangen!"

"Biden ist eine Katastrophe"

Damals war Nikki Haley die gefährlichste innerparteiliche Widersacherin des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers, und Trump hatte keine Gelegenheit ausgelassen, ihren Namen zu verhöhnen, sie als "Spatzenhirn" zu beleidigen und ihre Familie zu diffamieren. Haley hatte gekontert, Trump werde "immer instabiler und durchgeknallter" und sei "nicht geeignet" für das Präsidentenamt.

Gerade einmal drei Monate ist das her. Am Mittwoch aber saß Nikki Haley auf dem Podium der konservativen Denkfabrik Hudson Institute in Washington. Ihre Kampagne hat die ehemalige UN-Botschafterin im März eingestellt, ihr Mann ist inzwischen vom Auslandseinsatz zurück. Erstmals seit dem Ende ihrer Präsidentschaftskampagne trat die 52-Jährige öffentlich auf. Vielen im Saal brannte daher die Frage nach ihrer Positionierung im bevorstehenden Präsidentschaftsduell unter den Nägeln, die Moderator Peter Rough nach einer halben Stunde stellte. "Trump ist nicht perfekt. Aber Biden ist eine Katastrophe", antwortete Haley kühl. "Deshalb werde ich für Trump stimmen."In der sechsten Reihe saß Michael Haley und lächelte.

Mehr oder weniger zynische Winkelzüge zum eigenen Nutzen sind in der amerikanischen Politik an der Tagesordnung. Speziell Nikki Haley hat in der Vergangenheit einige inhaltliche Pirouetten hingelegt. Doch ihre bedingungslose Unterwerfung zum jetzigen Zeitpunkt macht selbst langjährige Politprofis sprachlos: "Als Nikki Haley sagte: 'Jetzt liegt es an Donald Trump, sich die Stimmen derjenigen (...) zu verdienen, die ihn nicht unterstützt haben', meinte sie wirklich: Er kann mich und meine Wähler wie Abschaum behandeln, und ich werde trotzdem mitmachen und ihn unterstützen", schrieb die konservative Politikberaterin Sarah Longwell auf X.

Echter Machtfaktor

Die Loyalitätsbekundung kommt vor allem deshalb so überraschend, weil sich Haley innerhalb der Republikanischen Partei mit ihren antiisolationistischen und fiskalkonservativen Positionen zu einem echten Machtfaktor entwickelt hat. Obwohl sie Anfang März aus dem Rennen ausgeschieden ist, sammelt sie bei den republikanischen Vorwahlen in vielen Bundesstaaten weiter kräftig Unterstützung. Zuletzt hatten im Swing-State Pennsylvania 16,5 Prozent, in Indiana 21,7 Prozent, in Maryland 21,8 Prozent und in Nebraska 17,8 Prozent für sie gestimmt. Damit hätte sie zwar keinerlei Chance auf die Nominierung beim Parteitag. Aber immerhin stehen bereits 4,4 Millionen Republikaner hinter ihr – und ohne deren Stimmen kann Trump die Wahl nicht gewinnen.

Auch der Rahmen für die politische Kehrtwende war ungewöhnlich. Zwar residiert das Hudson Institute nur wenige hundert Meter vom Weißen Haus entfernt. Aber Haley sollte bei der Denkfabrik eigentlich über die "Gefahren einer schwachen nationalen Sicherheitspolitik" referieren. Das tat sie auch in den ersten 20 Minuten der Veranstaltung. Doch als schlimmstes Beispiel eines riskanten neuen Isolationismus verwies sie nicht etwa auf die monatelange Weigerung der Republikaner, neue Hilfen für die Ukraine zu bewilligen, oder die unverkennbaren Sympathien von Trump für Diktatoren. Stattdessen empörte sie sich, dass Präsident Biden kürzlich die Lieferung schwerer Bomben an Israel zurückgestellt hat, mit denen in der Vergangenheit Zivilisten im Gazastreifen getötet worden waren. "Biden hat unseren Feinden grünes Licht für mehr Blutvergießen" gegeben, sagte sie.

Unklares Kalkül

Anschließend arbeitete sie sich am US-Rückzug aus Afghanistan ab, den sie als "Debakel" und möglichen Trigger für die aggressive Politik des Iran und Russlands schilderte. Eher beiläufig sagte sie schließlich "Auch bei meinen Republikanern ist nicht alles in Ordnung" und verwies auf die 112 Abgeordneten, die gegen das Ukraine-Paket gestimmt hatten. Donald Trumps erwähnte sie in ihrer Rede kein einziges Mal, schon gar nicht kritisch. Haleys Kalkül blieb zunächst unklar. Naheliegend wäre, dass sie darauf spekuliert, von Trump zur Kandidatin für das Vizepräsidentenamt berufen zu werden. Der Ex-Präsident könnte sich auf diese Weise die Unterstützung von besser gebildeten, eher traditionellen Republikanern sichern. Doch als kürzlich schon einmal entsprechende Spekulationen aufkamen, hatte Trump schnell reagiert: "Nikki Haley steht für den VP-Posten nicht zur Debatte", verkündete er. "Aber ich wünsche ihr alles Gute."

Das klang nach einer Abfuhr. Aber wer Trump kennt, weiß: Es würde ihn nicht daran hindern, morgen das Gegenteil zu erklären. (Karl Doemens aus Washington, 23.5.2024)