Web Designer, der an einem Laptop arbeitet
Auch sechs Jahre nach Inkrafttreten der DSGVO bieten Themen wie Datenverwendung und Datenschutzerklärung viel Potenzial für Streit.
IMAGO/Elisatim

Als Selbstständige hat Anke Bayer (Name von der Redaktion geändert, Anm.) alle Hände voll zu tun: Aufträge müssen erfüllt, diverse administrative Aufgaben erledigt, Neukunden gewonnen werden – und natürlich gehört auch das Aufsetzen und Erhalten einer eigenen Website zu den Tätigkeiten einer Einzelunternehmerin. Für diese Visitenkarte im virtuellen Raum werden seit genau sechs Jahren – mit Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) am 25. Mai 2018 – strengere Anforderungen gestellt: Unter anderem müssen Webmaster in einer Datenschutzerklärung anführen, zu welchem Zweck sie welche Daten verarbeiten.

Auch Bayer baute gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten eine entsprechende Datenschutzerklärung in ihre Website ein – und staunte entsprechend, als sie eine E-Mail vom Geschäftsführer der in Gänserndorf ansässigen Agentur Adsimple erhielt. In dieser E-Mail hieß es, dass Bayer für die Datenschutzerklärung einen Text verwendet habe, der mit dem "Datenschutzgenerator" der Adsimple GmbH verwendet wurde. Dies sei entweder gegen Bezahlung oder kostenlos mit Verlinkung auf die Website möglich.

Da Bayer weder für die Verwendung des Generators gezahlt noch den Link gesetzt hatte, forderte die Agentur den nachträglichen Erwerb einer "Premium-Lizenz" für einmalig 300 Euro netto, zu bezahlen innerhalb von zehn Werktagen. Der Vorschlag Bayers, nachträglich einen Link zur Agentur einzubauen, wurde abgewiesen. Da Bayer keine Rechtsschutzversicherung hat und sich unter Druck gesetzt fühlte, überwies sie schließlich zähneknirschend den genannten Betrag.

Abmahnungen und Unterlassungserklärungen

Unter Websitebetreibern ist die österreichische Agentur schon länger bekannt – und wurde auch in Deutschland in der Vergangenheit wegen ihres Vorgehens kritisiert. So veröffentlichte vor drei bis vier Jahren der in München ansässige Anwalt Bernhard Knies eine Reihe von Youtube-Videos, in denen die damaligen Forderungen beschrieben und entsprechende Handlungsempfehlungen gegeben wurden. Zum damaligen Zeitpunkt wurden Abmahnungen und Unterlassungserklärungen verschickt.

Kuntze Mayer Beyer Abmahnung für AdSimple Datenschutzerklärung | Rechtsanwalt Dr. Knies
Dr. Bernhard Knies

Auf Anfrage des STANDARD betont Gernot Papouschek, Geschäftsführer von Adsimple, dass die besagten Videos alt sind und die dort angeführten Informationen und Zahlen nicht mehr der Praxis entsprechen. Mit der Kanzlei Kuntze Mayer Beyer, welche die besagten Schreiben verschickte, arbeite man seit Jahren nicht mehr zusammen, außerdem verschicke Adsimple keine Abmahnungen mehr. "Wir haben uns damals rechtlich beraten lassen, und die versandte Abmahnung war rechtskonform und gerechtfertigt", schreibt Papouschek in einer E-Mail an den STANDARD: "Warum hätte sie sonst ein Anwalt versendet?"

Die nun an Websitebetreiber verschickten E-Mails versteht Papouschek auch nicht als Forderungen. "Wir informieren den Website-Eigentümer über die unrechtmäßige Verwendung und machen ihm ein Angebot für eine außergerichtliche Einigung, nämlich den einfachen nachträglichen Erwerb der Lifetime-Lizenz zum Normalpreis", schreibt Papouschek: So könne der Website-Eigentümer "die unberechtigte Nutzung der Vergangenheit abgelten" und erhalte eine Lizenz, die zeitlich unbegrenzt für die entsprechende Domain gelte.

"Wir halten dieses Angebot für sehr kulant, da das Unternehmen, obwohl es unsere Rechte verletzt hat, nicht mehr zahlt als unsere anderen Kunden", argumentiert Papouschek: "Andersrum gefragt: Wie sollten wir unseren normalen Kunden sonst erklären, dass sie für die Nutzung unserer anwaltlich geprüften Texte den Vollpreis bezahlen müssen?"

Rechtliche Basis?

Auf rechtlicher Ebene beruft sich Adsimple auf das Vertragsrecht (Zustimmung, die Quelle im Text zu belassen), das Urheberrecht und in einigen Fällen auf das UWG (Mitbewerber von Adsimple, welche die Leistungen übernehmen). In Bezug auf das Urheberrecht schreibt Papouschek, dass Gerichte in Österreich und Deutschland die Texte des Datenschutzgenerators bisher stets als urheberrechtlich geschützt eingestuft hatten. Andere Juristen wiederum bezweifeln hier die Gültigkeit des Urheberrechts. Dagegen ist Papouschek teils vor Gericht gezogen und hat laut Eigenangabe "in allen Fällen Recht bekommen".

Adsimple GmbH Datenschutzerklärung Hinweis
Durch das Anklicken dieser Checkbox verpflichtet sich der User in der Gratis-Version zu einem verlinkten Quellverweis.
Adsimple GmbH

Betont wird vom Geschäftsführer auch, dass sich die User mit dem Akzeptieren der Nutzungsbedingungen verpflichten, bei den kostenlos erstellten Texten einen entsprechenden Link zu setzen. "Einige wenige Unternehmen, die die kostenlose Version unserer Datenschutztexte verwenden, entfernen jedoch den Quellverweis samt Verlinkung auf Adsimple", schreibt der Geschäftsführer: "Damit haben wir weder den Verkauf einer Lizenz noch die Erwähnung – wir stehen somit mit leeren Händen da."

Frage des Urheberrechts

Auf Bitte um eine Einschätzung der rechtlichen Lage heißt es aus der Bundessparte Information und Consulting in der WKÖ, dass der Urheber eines Werks gegen eine unbefugte Nutzung vorgehen und auf Unterlassung pochen kann. Außerdem bestehe ein Schadenersatzanspruch, der nach dem Urheberrechtsgesetz pauschaliert das Doppelte des sogenannten angemessenen Entgelts betragen kann.

Grundvoraussetzung dafür ist, dass das Werk auch urheberrechtlich geschützt ist und eine sogenannte "Eigentümlichkeit" aufweist. Die Rechtsprechung versteht darunter, dass das Werk sich über das "Landläufige, Alltägliche und üblicherweise Hervorgebrachte" abhebt und "den Stempel der persönlichen Eigenart des Schöpfers (Urhebers) tragen" muss, heißt es aus der WKÖ.

Die Beurteilung sei im Einzelfall zu treffen, grundsätzlich könnten jedoch auch derartige juristische Texte schutzfähig sein. Und generell sei die Tendenz der Rechtsprechung, oftmals die Schutzfähigkeit anzuerkennen. Im Fall von Adsimple seien die Bedingungen für die kostenlose Nutzung außerdem nicht "versteckt", sondern durch Sternchen-Markierung leicht feststellbar.

Wer hat den Text eingepflegt?

Papouschek erklärt, dass er die Adressaten seiner E-Mails in stichprobenartigen Kontrollen über eine Google- oder Bing-Suche ausfindig mache, indem er Sätze aus den Datenschutzgenerator-Texten in das Suchfeld eingibt. Über Sätze wie "Wir wollen nur Menschen aus Fleisch und Blut auf unserer Seite begrüßen. Bots oder Spam-Software unterschiedlichster Art dürfen getrost zuhause bleiben" könne man "viele Websites finden, die unsere Datenschutztexte im Einsatz haben".

Dem Adsimple-Geschäftsführer zufolge sind durch den mehrjährigen Einsatz des Datenschutzgenerators bereits über eine halbe Million Texte mit diesem Tool generiert worden. Ohne eine konkrete Zahl zu nennen, schreibt er, dass man in dieser Zeit bereits "einige Unternehmen über eine unrechtmäßige Nutzung informieren" musste: "Im Vergleich zu den korrekten Nutzungen ist diese Anzahl jedoch verschwindend gering." Auch weiterhin werde man "gegen die unkontrollierte Ausbreitung unserer Datenschutztexte vorgehen", da "wir vom Verkauf unserer Premium-Lizenzen leben".

Manche Unternehmer wissen Papouschek zufolge gar nicht, woher der Text zur Datenschutzerklärung ihrer Website stammt: Sie haben diese von jenem Webdesigner anlegen lassen, der in ihrem Auftrag die Website aufsetzte. Dieser wiederum verwendete das Tool von Adsimple, entfernte den Quellenverweis und verrechnete die Leistung als seine eigene: "In diesen Fällen wird das außergerichtliche Angebot meist vom Webdesigner in Anspruch genommen, um die unberechtigte Nutzung des Unternehmens abzugelten."

Bayer betont zwar, dass sie selbst niemals die Website von Adsimple besucht und daher auch nicht den Datenschutzgenerator verwendet habe. Angesprochen auf den Ursprung der Datenschutzerklärung gibt ihr Lebensgefährte jedoch an, den Text von einer anderen Website übernommen und adaptiert zu haben. Und dieser dürfte wohl mit einer kostenpflichtigen Version des Tools erstellt worden sein, wodurch der verlinkte Quellenverweis nicht inkludiert war.

Noch immer viel Unklarheit

Eines wird durch diese Angelegenheit jedenfalls deutlich: dass der korrekte Umgang mit der DSGVO auch sechs Jahre nach deren Inkrafttreten noch immer viel Potenzial für Streit bietet. Auch Betreiber kleiner Websites müssen sich den Kopf über die Datenverwendung und die korrekte Formulierung der Datenschutzerklärung zerbrechen. Die WKÖ bietet zwar eine entsprechende Checkliste, betont aber auch, dass es eine universell gültige Mustervorlage für eine Datenschutzerklärung nicht geben kann, da diese hochgradig individuell ist.

Ein Generator wie jener von Adsimple könne daher hilfreich sein, wenn er mehrere Use Cases abfragt, heißt es abschließend aus der WKÖ: "Das enthebt ein Unternehmen allerdings nicht der Pflicht, selbst individuell zu kontrollieren, ob alle Anwendungsfälle und Voraussetzungen im konkreten Unternehmen umfasst sind." (Stefan Mey, 25.5.2024)