Stephen Findeisen alias Coffeezilla weist dunkle Flecken in der Geschichte des gehypten KI-Start-ups Rabbit Inc. nach.
Screenshot Youtube/Coffeezilla

Es sollte das Smartphone ablösen und der nächste Evolutionssprung auf dem KI-Hype sein. Kleine Brötchen hat man bei dem US-Unternehmen Rabbit nie gebacken. Ihr R1 getauftes Gerät sollte in jede Hosentasche passen und ein KI-Begleiter in allen Lebenslagen sein, egal ob man nun ein Taxi bestellt, mit der integrierten Kamera per KI Pflanzen bestimmt oder auf Reisen fremde Sprachen ersetzt.

Entsprechend groß war der Hype um das feurig-orange Gerät. Die ersten Tests brachten dann aber schnell Ernüchterung: Ganz wie der vom Konzept sehr ähnliche Humane AI Pin ist das Rabbit R1 nahezu unbenutzbar, urteilte der Tech-Youtuber Marques Brownlee. Auch Branchenkollegen wie Linus Tech Tips oder Dave Lee zogen ähnliche Schlüsse.

$30,000,000 AI Is Hiding a Scam
It's time to see how far the Rabbit hole goes... Support Investigative Journalism: ► Patreon: https://patreon.com/coffeezilla Follow: ►Ed Zitron: https://www.wheresyoured.at/rabbit-holed/ ►Emily Shepherd: https://twitter.com/ShyTsarina ►Andy Parackal: https
Coffeezilla

Kurz darauf stellte sich heraus, dass es eigentlich keinen Grund gibt, warum das Rabbit R1 ein eigenständiges Gerät ist, handelt es sich doch bei der Software um nichts anderes als eine Smartphone-App, die selbst auf alten Mittelklasse-Smartphones problemlos läuft.

Das Herstellerunternehmen reagierte darauf patzig und drohte mit Klagen, sollte man die Rabbit-Dienste auf einem anderen Weg als über die offizielle Hardware nutzen. Dennoch fragte sich die Tech-Welt: Warum sollte man 200 Dollar für ein Gerät ausgeben, dessen praktischer Nutzen bestenfalls fragwürdig ist? Ein Hauch von Scam lag in der Luft.

Der Buzzword-Salat

Nun hat sich der Youtuber Stephen Findeisen aka Coffeezilla die Hintergründe des Herstellerunternehmens noch einmal angesehen, und der Verdacht, das R1 könnte auf einem Betrug aufbauen, erhärtet sich. Findeisen ist eigentlich darauf spezialisiert, Krypto-Betrügereien oder NFT-Scams humorvoll zu sezieren – und auch bei Rabbit stieß er in der Vergangenheit auf eine Masche, die leichtgläubigen Anlegern das Geld aus der Tasche ziehen sollte.

Rabbit Inc. wurde ursprünglich als Cyber Manufacture Co. gegründet. Damals, im Jahr 2021, sammelte das Unternehmen Risikokapital für ein NFT-Projekt namens Gama. Dabei sollte es sich um eine "Mischung aus Storytelling, Gaming, Community-Ownership und digitale Identitäten handeln", wie es in der offiziellen Projektbeschreibung heißt.

Gama dürfte in Wahrheit eine Art Videospiel gewesen sein, das auf einer Raumstation spielt. Rabbit-CEO Jesse Lyu verkaufte das Spiel aber anders: Gama sei nicht nur die Zukunft des Gamings, sondern würde in der Prägung einer eigenen Kryptowährung gipfeln, die im Wesentlichen Bitcoin 2.0 sei, wie Findeisen gemeinsam mit den Autoren Emily Shepherd und Ed Zitron herausfand. Und: Gama habe eine Partnerschaft mit einem Green-Energy-Unternehmen, weshalb die Gama-Coin auch die erste Kryptowährung mit einem positiven Effekt auf das Klima wäre, weil man selbst mehr Energie produzieren könne, als die Kryptowährung verbraucht. Dazu kam noch Gerede mit den Buzzwords Metaverse, Minting, NFT, KI und Web3.

Außerdem sei Gama die wahre Matrix, denn man könne dort als digitales Alter Ego wiedergeboren werden, versprach Lyu in stundenlangen Clubhouse-Meetings. Außerdem sollte es physische Gama-Stores, Comicbooks und eine TV-Serie geben. Außerdem arbeite man daran, den Spiel-Teil von Gama mit "Brain Logic" zu kontrollieren.

Sechs Millionen Dollar sind verschwunden

All die Ankündigungen wären zwar fragwürdig, aber Lyu hätte sich damit nur in eine lange Reihe von digitalen Schlangenölverkäufern eingereiht. Schließlich waren 2021 und 2022 die Jahre des NFT-Hypes, und wer möglichst viele Reizwörter einigermaßen überzeugend in den Raum warf, durfte darauf hoffen, Investoren und Kleinanleger zu überzeugen, ihr Erspartes in ein derartiges Projekt zu investieren. Ob die Anleger das Projekt verstanden haben, war nicht so wichtig. So auch bei Gama. Lyu gelang es so, sechs Millionen Dollar einzusammeln. Die Frage: Wohin ist das Geld verschwunden?

"Meine einzige Frage ist: Wenn man im Metaverse betrogen wird, wird man im echten Leben auch betrogen?", ätzt Findeisen in seinem Video. Warum das für das neue Produkt des Unternehmens, den Rabbit R1, relevant sein soll? Laut Findeisen gibt es deutliche Parallelen zwischen den Versprechen zu Gama und dem R1.

Rabbit Inc. behauptet, das Geld sei in die Entwicklung von Gama geflossen. Darauf gibt es aber keine Hinweise. Eine Gama-Coin gab es nie, über eine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen aus dem Bereich Klimaschutz ist nichts bekannt, und ja, nicht einmal ein wirkliches Videospiel wurde aus Gama. Laut dem Youtuber schuldet Lyu den Kleinanlegern etwa eine Million Dollar.

Rabbit verstrickt sich in Widersprüche

Heute ist von den großen Ankündigungen nicht mehr viel übrig, und Lyu versuchte, die Bedeutung von Gama herunterzuspielen. Es habe sich nur ein Spaßprojekt gehandelt, in dem er ein wenig in der Unreal-5-Engine herumgespielt habe. Ja, Gama habe NFTs verkauft, er selbst habe einige aus Spaß gekauft, schrieb Lyu auf Discord. Kryptocoins habe man aber nie veröffentlicht.

Ob man den geprellten Gama-Anlegern das Geld zurückbezahlen werde? Darauf antwortet Rabbit eher vage: Es gebe keine Möglichkeit, ein NFT zurückzugeben. "Es sei denn, der Eigentümer stimmt zu, die NFTs auf der Blockchain zu 'verbrennen'", hieß es in einer an den Youtuber übermittelten Stellungnahme.

Außerdem betont Rabbit, dass man nicht einverstanden sei, wenn das Gama-Projekt als "aufgegeben" bezeichnet werde. Es handle sich nun um ein Open-Source-Projekt, das weiterentwickelt und "der Gemeinschaft zurückgegeben werde". Außerdem seien die Behauptungen des CEOs aus dem Zusammenhang gerissen worden, hieß es da. Das Spiel besteht aktuell als eine Projektdatei in der Unreal-Engine, das auf einer von den Unreal-Machern Epic Games herausgegebenen Demo namens Lyra beruht.

"Haben nicht mit 'Gama' zu tun"

Eine "CO2-negative" Kryptocoin hätte man darüber hinaus auch nie versprochen, obwohl ein auf Discord verbreiteter Werbefilm zur Roadmap genau das Gegenteil beweist. Nach dem ausführlichen Statement kommt man bei Rabbit dann noch auf einen bemerkenswerten Schlusssatz: Eigentlich stehe Rabbit in keinem Zusammenhang mit dem Scam-Projekt Gama, selbst wenn die Firmeneintragungen im US-Handelsregister eine andere Sprache sprechen. (pez, 26.5.2024)