Kaum ein Sport-Event steht bei den Reichen und Schönen so im Fokus wie dieses Rennwochenende an der Cote d'Azur.
APA/AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Monte Carlo - In den engen Straßen von Monaco werden an diesem Wochenende wieder die Gesetzmäßigkeiten der Formel 1 außer Kraft gesetzt. Das Rennen im Fürstentum wird traditionell bereits am Samstag im Qualifying vorentschieden, Überholmanöver sind auf dem Stadt-Kurs kaum möglich. Nirgends wittert die Konkurrenz der dominierenden Platzhirsche so viel Morgenluft wie an der Cote d'Azur. Weltmeister Max Verstappen fährt als Vorjahressieger mit "Heimvorteil" in Monte Carlo vor.

Dass neun der 20 Formel-1-Fahrer in Monaco wohnen, liegt nicht unbedingt an der besonderen Schönheit des dicht bebauten Stadtstaats oder der besonderen Motorsport-Tradition. Sicherheit, Diskretion und Steuervorteile sorgen dafür, dass sowohl Champion Verstappen als auch Rekordweltmeister Lewis Hamilton oder Jungstar Lando Norris hier an der Mittelmeerküste ihren Wohnsitz haben.

Zuversicht

Für sie alle wird es ein Heimspiel, für Leclerc aber noch viel mehr. Die Geschichte, wie er als Kind im Schulbus durch Monaco fuhr, erzählt der Ferrari-Star immer noch gern. Der Kindheitstraum vom ersten Sieg in seiner Heimatstadt ist unerfüllt, bisher lief es für den 26-Jährigen nie wie gewünscht. "Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Jahr stark sind", sagte Leclerc.

"Er hat mit der Strecke noch eine Rechnung offen. Wir wollen ihm helfen, dass das endet", sagte Ferraris Teamchef Fred Vasseur. Zweimal stand die Nummer eins der Scuderia schon auf dem ersten Startplatz, doch ins Ziel kam Leclerc nie als Sieger, schaffte es nicht einmal auf das Stockerl. Ein vierter Rang vor zwei Jahren ist das beste Resultat des fünfmaligen Grand-Prix-Siegers, der zuletzt im Juli 2022 in Spielberg gewinnen konnte.

Enteilt

Verstappen ist in seinem Red Bull schon wieder enteilt und derzeit scheint es, als sei das erstarkte McLaren-Team um Norris der neue Hauptkonkurrent. Der junge Brite hat sich mit den Rängen zwei, eins und zwei in Shanghai, Miami und zuletzt Imola als erster Jäger in Position gebracht. "Es ist an der Zeit, dass ihn jemand unter Druck setzt (...), denn ich bin sicher, dass er das schon eine Weile nicht mehr gespürt hat", sagte Norris über Verstappen.

Helmut Marko setzt in der Herausforderer-Frage für dieses Wochenende aber auf Rot. "Ich denke, der Ferrari wird in Monte Carlo eine größere Herausforderung sein als der McLaren, denn es geht nur um das Qualifying", sagte der Motorsportberater von Red Bull. Für den Austro-Rennstall gab es in den vergangenen Jahren im Fürstentum stets etwas zu jubeln. Verstappen holte im Vorjahr seine bisher einzige Monaco-Pole ab und brachte die Ausgangsposition trotz eines kurzen, aber heftigen Regenschauers auch zu seinem zweiten Grand-Prix-Sieg nach 2021 ins Trockene. Fernando Alonso verspielte die kleine Chance auf den Sieg mit einem zu gewagten Reifenwechsel. Der Spanier wurde im Aston Martin vor Alpine-Fahrer Esteban Ocon Dritter. Weil Sergio Perez 2022 siegte, ist Red Bull in Monaco wie zwischen 2010 und 2012 drei Rennen unbesiegt.

Schwierige Verhandlungen

Seit 1955 gehört der Klassiker jährlich zum Kalender, die Zukunft ist aber nur noch bis 2025 gesichert. Die Verhandlungen darüber hinaus werden als schwierig eingestuft. Für weitere Rennen spricht die Tradition, die Herausforderungen auf den engen Straßen verfolgen selbst Menschen, die sonst wenig mit der PS-Szene zu tun haben. Hinzu kommt der Glamour-Faktor. Kaum ein Sport-Event steht bei den Reichen und Schönen so im Fokus wie dieses Rennwochenende an der Cote d'Azur. Auch die Fans schätzen das zwar kostspielige, aber einmalige Erlebnis mit besonderer Nähe zur Strecke.

Ein großes Problem ist die am Renntag fehlende Spannung. Auf der mit 3.337 Metern kürzesten Strecke der Saison ist das Überholen auf dem höchstens zehn Meter breiten Asphaltband kaum möglich. Das liegt nicht nur an immer breiteren Boliden, sondern auch am Unwillen der Veranstalter, etwas zu ändern. Anpassungen am Kurs scheinen umsetzbar. So bestünde die Möglichkeit, im Bereich des berühmten Schwimmbads eine Zone zum leichteren Überholen zu konzipieren, doch das wurde bisher immer abgelehnt. Und so gewinnt oft der, der auf Startplatz eins steht. In den 23 Austragungen in diesem Jahrhundert trat dieses Szenario 13-mal ein.

Die Zeichen der Zeit stehen in der Königsklasse längst auf Expansion, neue Bewerbe mit viel Geld drängen in den Markt, alte müssen ihren Platz verteidigen. Monaco genoss in der Vergangenheit finanzielle Vorteile, zahlte deutlich weniger Antrittsgeld als andere Orte. "Monaco ist wegen seines Erbes und seiner Geschichte dabei. Das ist alles", hatte Red-Bull-Teamchef Christian Horner gesagt: "Auch das Kronjuwel muss mit der Zeit gehen. Wenn man stehen bleibt, geht man rückwärts." Kritische Worte, die nicht von ungefähr kommen. Das mitunter hochnäsige Auftreten des Automobile Club de Monaco als Veranstalter wird innerhalb der Formel 1 kritisch gesehen. (APA, 23.5.2024)