15 Monate hat Ilaria Salis in Budapest in Untersuchungshaft verbracht, unter zum Teil unwürdigen und erniedrigenden Bedingungen. Donnerstagnachmittag konnte sie in eine Wohnung in der ungarischen Hauptstadt umziehen, nachdem ein Gericht vor einer Woche dem Antrag der Verteidigung auf Hausarrest zugestimmt hatte. Die Republik Italien hatte zuvor 16 Millionen Forint (rund 41.000 Euro) als Kaution an die ungarischen Behörden überweisen. Außerdem muss Salis im Hausarrest eine elektronische Fußfessel tragen.

Im März wurde Ilaria Salis in Handschellen und an einer Art Hundeleine in den Gerichtssaal geführt. Nun wurde sie in den Hausarrest entlassen.
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Die italienische Linksaktivistin war im Februar 2023 verhaftet worden: Von der ungarischen Staatsanwaltschaft wird ihr vorgeworfen, als Teilnehmerin einer antifaschistischen Demonstration gegen eine rechtsextremistische Gedenkveranstaltung in Budapest zwei Neonazis zusammengeschlagen und schwer verletzt zu haben. Salis bestreitet die Vorwürfe vehement und wurde von ihren angeblichen Opfern auch nicht angezeigt. Im Fall einer Verurteilung drohen ihr bis zu 24 Jahre Haft.

Der "Fall Ilaria Salis" ist in den letzten Monaten zu einer immer schwereren Belastung für die diplomatischen Beziehungen zwischen Rom und Budapest geworden – trotz des grundsätzlich freundschaftlichen Verhältnisses zwischen der postfaschistischen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni und dem autokratischen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Zu einem regelrechten Aufschrei war es in Italien im Jänner gekommen, als die Volksschullehrerin angekettet und an einer Art Hundeleine zu einem Gerichtstermin geführt wurde.

"Bilder der Schande"

Angesichts der "Bilder der Schande", wie die italienischen Medien es nannten, bestellte der italienische Außenminister Antonio Tajani den ungarischen Botschafter ein. Meloni blieb ebenfalls nichts anderes übrig, als ihren "amico" Orbán persönlich anzurufen, um gegen die unwürdige Behandlung ihrer Landsfrau zu protestieren.

Wenig zur diplomatischen Entspannung beigetragen hat zwei Monate später die Entscheidung von Salis, auf den Wahllisten der italienischen links-grünen Allianz bei den Europawahlen vom 8. und 9. Juni anzutreten. Die Absicht war klar: Sollte sie ins Europaparlament gewählt werden, würde sie in den Genuss der parlamentarischen Immunität kommen und müsste von den ungarischen Behörden umgehend auf freien Fuß gesetzt werden.

Die Rechtsregierung von Meloni kritisierte damals, dass eine weitere Politisierung des Falles durch die italienische Linke wenig hilfreich sei. Ilarias Vater Roberto, eigentlich ein überzeugter Rechts-Wähler, warf der Regierung in Rom wiederum mehrfach vor, sich in Budapest nicht energisch genug für seine Tochter einzusetzen und letztlich "keinen Finger zu rühren".

Der politische Druck aus Rom hat aber immerhin ausgereicht, damit Salis nun das Gefängnis verlassen konnte. Dort war sie weitestgehend isoliert gewesen; auch Kontakte zu den Angehörigen waren nur ganz selten möglich. In Hausarrest wird dies nun anders: Sie kann nun nicht nur mit ihrer Familie und ihren Freunden telefonieren, sondern auch Wahlkampf betreiben – wenn auch nur über Videoschaltungen am Computer.

Die Entlassung von Salis aus dem Gefängnis sei eine "gute Nachricht", erklärte am Donnerstag das Führungsduo der links-grünen Allianz, Grünen-Chef Angelo Bonelli, und der Präsident der Sinistra Italiana, Nicola Fratoianni. Laut einer am 21. Mai durchgeführten Umfrage liegt die Gruppierung derzeit bei 4,6 Prozent der Stimmen, also über der Vier-Prozent-Hürde. Der Umzug vom Hausarrest ins Straßburger Parlament scheint für Ilaria Salis in Griffweite zu liegen.

Der Strafprozess in Budapest gegen sie geht derweil weiter: Am Freitag sind Zeugeneinvernahmen vorgesehen. Immerhin: Dank der Gewährung des Hausarrestes muss Salis nun nicht mehr an Händen und Füssen gefesselt und in Ketten im Gerichtssaal erscheinen. (Dominik Straub aus Rom, 23.5.2024)