Gegen Wiener Aktivistinnen und Aktivisten der Klimaschutzbewegung Letzte Generation wurden Gefängnisstrafen verhängt.
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Wien – Die jüngst verhängten primären Freiheitsstrafen gegen Klimaschützerinnen und -schützern in Wien stimmen die Menschenrechtsorganisation Amnesty International besorgt. Die NGO verwies am Freitag in einer Aussendung auf die "stark gewachsene Tendenz von Politik und Verwaltung, Aktivistinnen und Aktivisten zu kriminalisieren und damit eine bestimmte Form von Protest zu unterbinden". Friedlicher Protest sei aber von der Versammlungsfreiheit gedeckt, kritisierte Amnesty.

Die Versammlungsfreiheit sei ein Menschenrecht, zu dem sich Österreich verpflichtet habe, betonte Expertin Charlotte Deiss. Sie unterstrich, dass darunter auch Aktionen in der Tradition des zivilen Ungehorsam fallen würden – "auch wenn es Politikerinnen und Politiker, Behörden und auch manch einer in der Öffentlichkeit nicht gerne hören".

"Protest darf stören"

In den vergangenen Tagen hatte die Klimaschutzbewegung Letzte Generation bekannt gemacht, dass gegen Aktivistinnen und Aktivisten in Wien primäre Freiheitsstrafen verhängt worden waren. Dabei werden direkt Gefängnis- statt Geldstrafen verhängt – ohne vorhergehendes Gerichtsverfahren. Amnesty International lehne eine solche Verwaltungshaft "grundsätzlich ab, da die Gefahr besteht, dass faire und rechtsstaatliche Gerichtsverfahren umgangen werden", hieß es.

"Auch die Tatsache, dass das Innenministerium per Aussendung stolz die hohe Zahl an Festnahmen von Klimaaktivistinnen und -aktivisten verkündet und betont, dass weiterhin solche Aktionen untersagt und schnellstmöglich beendet sowie Verwaltungsstrafen verhängt werden, befeuert die öffentliche Wahrnehmung, dass Protestierende wie Kriminelle zu sehen und zu behandeln sind", so Deiss. "Protest darf stören, manchmal muss er das sogar." Auch bei Verständnis für den Ärger aufgrund von Protesten sei es "doch gerade die Aufgabe der politisch Verantwortlichen sowie der Sicherheitsbehörden, sowohl vor Ort als auch in der Rhetorik deeskalierend zu wirken und nicht Protest zu delegitimieren", kritisierte Deiss scharf. "Das ist eines Rechtsstaates nicht würdig."

Ermittlungen in Wien

Amnesty International Österreich verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Lage in Deutschland. Dort waren zuletzt Mitglieder der Letzten Generation wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt worden. In Wien ermittelt die Staatsanwaltschaft ebenfalls wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen 35 Aktivistinnen und Aktivisten. Zu einer Anklage kam es bisher jedoch nicht. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft der APA mit.

"Politikerinnen und Politiker müssen sich dem Diskurs mit der Bevölkerung stellen – sowohl mit jenen, die sich für das Klima einsetzen, als auch mit jenen, die sich von den Aktionen gestört fühlen", sagte Deiss. "Sowohl der Schutz das Klimas als auch die Versammlungsfreiheit sind Menschenrechte, die zu achten sind." (APA, 24.5.2024)