Frau greift sich an die Schläfte, schmerzverzerrtes Gesicht
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Erst regnerisch und kalt, am nächsten Tag dann wieder sommerlich warm – solche Temperaturschwankungen gehen an manchen Menschen nicht spurlos vorüber. Bei besonders Wetterfühligen führe so ein Umschwung zu heftigen Kopfschmerzen oder gar Migräne, heißt es. Vor allem Föhnwetter gilt oft als Verursacher von Kopfweh.

Aber ganz so verallgemeinern kann man das Ganze nicht, stellt Christian Wöber, Leiter der Kopfschmerzambulanz der Med-Uni Wien, klar. Auf individueller Ebene könnte das Wetter für manche eine entscheidende Rolle spielen, "aber man kann nicht sagen, dass eine bestimmte Wetterlage eher zu Kopfschmerzen oder Migräne führt", sagt er.

Kein allgemeingültiger Zusammenhang zwischen Wetter und Kopfweh

Das ist das Ergebnis einer an der Med-Uni durchgeführten Studie. Dafür haben 300 Patientinnen und Patienten drei Monate lange ein Kopfschmerztagebuch geführt und ihre Schmerzen genau dokumentiert. Für denselben Zeitraum bekamen die Forschenden die Wetterdaten von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Und diese beiden Datensätze wurden dann auf zwei Arten ausgewertet.

In einem ersten Schritt wollte man wissen, ob bestimmte Wetterlagen bei einer Mehrzahl der Betroffenen eher zu Migräne führten. "Das war aber definitiv nicht der Fall, es gibt keine allgemeingültigen Zusammenhänge", berichtet Wöber. Aber – und das zeigte sich bei der Auswertung im zwischen Schritt – das Wetter kann für den oder die Einzelnen durchaus eine Rolle spielen. "Manche hatten tatsächlich bei bestimmten Wetterwerten ein erhöhtes Risiko für Kopfschmerzen oder Migräne", sagt Wöber. Die Temperaturen und Witterungsbedingungen haben also Einfluss auf Kopfschmerzen – man kann aber nicht sagen, wie genau sich welches Wetter auf Betroffene auswirkt. Denn dieselben Wetterwerte, die bei manchen eher zu Schmerzen führte, erhöhte bei anderen das Wohlbefinden.

Selektive Wahrnehmung

Wöber hält daher nichts von Migränewarnungen bei Wetterprognosen: "Manchmal steht dann bei der Wettervorhersage schon dabei: 'Vorsicht für Migräne-Betroffene, erhöhtes Risiko'. Aber das ist erstens so nicht zutreffend und zweitens kontraproduktiv. Wenn Betroffene das lesen, warten sie ja schon förmlich auf den Kopfschmerz oder eine Migräneattacke." Die Angst davor würde das Risiko dann erst recht erhöhen.

Generell spiele bei dem Thema Wetterfühligkeit die selektive Wahrnehmung eine wichtige Rolle, ist Wöber überzeugt. Es sei wohl nicht immer tatsächlich das Wetter der Auslöser für die Schmerzen, auch wenn man das vermuten mag: "Oft ist es auch einfach Zufall, dass man bei einem Wetterumschwung gerade Kopfschmerzen hat. Den Schmerz verbindet man dann aber mit dem wechselnden Wetter. Hat man hingegen an einem schönen, sonnigen Frühlingstag Kopfweh, bleibt das nicht als Wetterfühligkeit in Erinnerung." Darum werde es oft so wahrgenommen, dass das Wetter großen Einfluss auf die Kopfschmerzen hätte, aber das treffe nur manchmal zu.

Wetterumschwung schon vorab spüren – geht das?

Manche berichten sogar davon, schon Kopfschmerzen zu haben, bevor der Wetterumschwung überhaupt passiert ist. Und dafür könnte es tatsächlich eine Erklärung geben. Möglicherweise hat das Wetterphänomen der sogenannten Sferics damit zu tun. Diese elektromagnetischen und lichtschnellen Impulse treten vor Gewittern, Schlecht- und Schönwetterfronten auf. In der Wissenschaft vermutet man, dass diese Sferics das Nervensystem beeinflussen können.

Diese Teilchen bewegen sich rascher als der Wind. "Wir spüren sie also möglicherweise, schon bevor das Wetter bei uns angekommen ist, und vielleicht haben sie Auswirkungen auf den Organismus. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass Menschen schon vor der Wetterveränderung Kopfweh bekommen, aber das ist längst nicht bewiesen", sagt Wöber.

Anpassungsfähigkeit trainieren

Generell sollte man sich bei Kopfschmerzen aber ohnehin eher auf jene Faktoren konzentrieren, die man – anders als das Wetter – beeinflussen kann, rät der Experte. Denn man könne vielen Arten von Kopfweh gut entgegenwirken, wenn man regelmäßig isst, ausreichend trinkt und auf eine gute Schlafhygiene achtet.

Und auch bei wetterbedingtem Kopfweh gebe es Strategien, die man probieren kann, um die Schmerzen zu reduzieren. Wer sich etwa bei Wind und Wetter oft draußen bewegt, kann möglicherweise die Anpassungsfähigkeit des Organismus erhöhen und sich so vor wetterbedingten Kopfschmerzen schützen. "Studien, die belegen, dass das hilft, gibt es zwar bisher noch nicht, aber das kann man durchaus versuchen", sagt der Experte.

Alternativ könnte auch Temperaturwechsel-Training zu Hause helfen, etwa durch Wechselduschen, sagt Wöber: "Sich diesen Temperaturwechseln bewusst auszusetzen ist sicherlich nicht verkehrt. Auch während einer Kopfschmerzattacke spielen für viele ja die unterschiedlichen Temperaturen eine große Rolle. Manchen hilft eine kalte Kompresse, anderen eine warme Dusche." (Magdalena Pötsch, 26.5.2024)