
Eine kleine Lampe, möchte man meinen, soll jetzt die ganze Erde retten: Energiesparlampen verbrauchen bis zu 80 Prozent weniger Strom, haben eine rund 19 mal höhere Lebensdauer und brächten nach einer Berechnung des Elektroherstellers Philips europaweit eine Einsparung von 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid. In Zeiten des Klimawandels wird so glühend der Ausstieg aus der alten Lampengeneration diskutiert.
Schwermetalle und Elektrosmog
Eine feine Sache, wenn zusätzlich die Politik schnell reagiert und die Industrie sich eifrig an die Umsetzung macht. OSRAM-Österreich kündigte an, bis 2015 nur noch sparende Lampen zu produzieren. Doch jetzt haben Umweltmediziner und Baubiologen einen Blick hinter die neue strahlend schöne Lampenwelt geworfen und sind im Schatten der allgemeinen Euphorie auf ganz andere ungelöste Themen gestoßen: Die extrem hohe elektromagnetische Strahlung und die noch ungeklärte Schwermetallbelastung.
Weniger CO2 – mehr Strahlung
"Die Energiesparlampe ist eigentlich eine kleine Kompaktleuchtstoffröhre", so der Baubiologe und Umweltberater Peter Kurz, "mit einem Vorschaltgerät, das die 50 Hertz der Netzstromfrequenz, die aus der Steckdose kommt, in 40 000 Hertz umwandelt. Es entsteht eine niederfrequente periodische Pulsung und ein hochfrequentes elektrisches Feld mit einer hochfrequenten Strahlung."
Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme
Für den Experten der Umweltberatung, der häufig mit der Problematik "Elekrosmog" konfrontiert wird, ist das keine Kleinigkeit: "Man weiß anhand von Studien, dass eine hochfrequente Strahlung Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Das geht von erhöhtem Hirntumorrisiko, erhöhtem Leukämierisiko bei Kindern, bis hin zu Schlaf-und Konzentrationsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten."
Studien darüber gibt es viele, seit jeder stundenlang mit dem Handy telefoniert. Gegenexpertisen werden genauso oft präsentiert. Expertenmeinung steht gegen Expertenmeinung. Für Kurz steht aber fest: "Ob Strahlenbelastung durch Mobilfunk, WLAN oder Energiesparlampen: Man weiß, dass bei Zellen, die hochfrequent bestrahlt werden, die DNS-Stränge reißen." Der Körper könne zwar viel reparieren, man wisse aber nicht wie der Organismus mit der Dauerbestrahlung umgeht.
"Worst case" - Schreibtischlampe
Der Referent für Umweltmedizin der Österreichsischen Ärztekammer Gerd Oberfeld hat deshalb gleich selbst zu messen begonnen. Seine bisher nicht publizierten Ergebnisse zeigen, dass der "worst case" der elektromagnetischen Belastung durch eine Energiesparlampe am Schreibtisch stattfindet: "Eine Schreibtischlampe im Nahbereich des Kopfes in einem Abstand von rund 30 Zentimetern, das schaut gar nicht gut aus", so Oberfeld.
TCO-Richtwert
Als Vergleichswert für seine Messergebnisse zieht er den schwedischen TCO-Richtwert heran, der die Strahlenbelastung der PC-Bildschirme regelt. "Die Messungen zeigten an Energiesparlampen bei 40 Kilohertz, magnetische Felder von rund 50nT (Nanoteslar)." Der TCO-Richtwert liege vergleichsweise bei 25nT, so der Experte weiter: "aus meiner Sicht ist dieser ohnehin zu hoch angesetz. Wobei die meisten PC Monitore heute bei wenigen nT liegen."
Ähnliche Anfangsschwierigkeiten wie bei Bildschirmen
Der Baubiologe Kurz empfiehlt deshalb Energiesparlampen nur bei Deckenleuchten und keinesfalls am Schreibtisch im Kinderzimmer einzusetzen. "Welche gesundheitlichen Schlüsse wir daraus ziehen können, wissen wir nicht", schildert Oberfeld die Situation, aber "es gibt meines Wissens keine systematischen Wirkungsuntersuchungen, jedoch ein ganze Reihe von Fallberichten von Menschen, die Energiesparlampen nicht vertragen. Sie berichten etwa von Kopfschmerzen, Schwindel oder Konzentrationsproblemen. Diese Beschwerden kennen wir aus den Anfängen der Bildschirmarbeit, als es deutlich höhere Emissionen als heute gab."
Regelungen erwünscht
Deshalb ist es dem Umweltmediziner ein Anliegen auf die regelfreie Situation der Strahlenbelastung aufmerksam zu machen. Denn: "Wir sollten unser engstes Lebensumfeld nicht durch weitere Hochfrequenzquellen verschmutzen und auch im Zuge der Klimawandelsiskussion einen kühlen Kopf bewahren. Die großen Energiebrocken liegen zudem nicht bei den Schreib- und Nachttischlampen sondern im Heizungs- und Kühlbereich sowie beim Transport. Das andiskutierte Verbot der Glühlampe ist aus gesundheitlichen Gründen jedenfalls klar abzulehnen."
Sondermüll Energiesparlampe
Wenig Beachtung findet zusätzlich die richtige und sachgerechte Entsorgung. Im benachbarten Deutschland landeten 2006 neunzig Prozent der Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen im Hausmüll. Und damit auch schwer abbaubares Quecksilber und andere Schwermetalle. Energiesparlampen sind Sondermüll: "In Energiesparlampen sind Schwermetalle wie Quecksilber enthalten, werden sie in den Hausmüll geworfen, haben wir ein Abfallproblem", so Kurz.
600 Kilo Quecksilber im Jahr
Bleibt zum Schluss noch eine Rechnung: Die Lebensdauer von Glühlampen wird mit rund 1000 Stunden beziffert, eine Energiesparlampe hält hingegen 15.000 bis 19.000 Stunden. Laut Angaben des Herstellers Philips werden in der EU jährlich rund zwei Milliarden Glühlampen verkauft. In Energiesparlampen umgerechnet wären das (bei 15.000 Stunden) etwas über 130 Millionen Sparlampen im Jahr. Jede dieser Lampen enthält 4,5 Milligramm Quecksilber. In Summe müsste so die europäische Umwelt mit rund 600 Kilo Quecksilber zusätzlich zurecht kommen.
OSRAM-Österreich ist sich dieser Problematik bewusst und bestätigt in einer Aussendung vom Juni an einer entsprechenden Lösung zu arbeiten, "damit künftig keine Gefahrenstoffe enthalten sind und die Lampen auch im Hausmüll zu entsorgen seien". (nia/mat,derStandard.at/17.08.2007)