Es ist schon länger her, dass sich eine Bekannte, mit syrischem Pass und aus palästinensisch-muslimischer Familie, bei der Einreise nach Pakistan weigerte, auf den Einreisepapieren ein Religionsbekenntnis anzugeben: Sie sei „ohne“, also könne sie höchstens „ohne“ hinschreiben. Nach einem halben Tag als „Gast“ der Grenzpolizei gab sie schließlich entnervt auf und war unfreiwillig wieder Muslimin.

Das Reisen ist eine Sache, aber auch wenn man im – islamischen – Lande bleibt und eine anerkannte Religionsgemeinschaft im Ausweis steht, muss sich die Wahrheit nicht immer damit decken. In Ägypten gibt es derzeit Aufregung über einen bereits mit 16 zum koptischen Christentum konvertierten 25-Jährigen, der seine neue Religion auch in seinen Dokumenten festgehalten haben will. Seine – ebenfalls konvertierte – Frau sei schwanger, und sie wollten das Kind christlich erziehen. Das ist nur möglich, wenn sie offiziell Christen sind.

Glaubt man den Kommentatoren, so ist das in Ägypten ein singulärer Fall. Konversionen zum Christentum gibt es, aber niemand hängt sie an die große Glocke.

Mohammed Higazy, Koptenname Beshoy, und seine Frau Zeinab beziehungsweise Katerina sind zwar jetzt nach Morddrohungen in den Untergrund gegangen, aber sie wollen ihre Causa durchfechten und auch nicht aus Ägypten fliehen, heißt es. Die Sache schlägt hohe mediale Wellen und hat eine heftige Debatte über Religionsfreiheit ausgelöst.

Higazys Vater bestreitet die Konversion des Sohnes und bezeichnet ihn als geisteskrank, sein Schwiegervater will, gegen den Willen seiner Tochter, deren Scheidung erzwingen, weil sie nun mit einem vom Islam Abgefallenen, einem Apostaten, verheiratet sei. Zeinab soll zur Familie zurückkehren – und sei es tot.

Eine Zwangsscheidung mit dieser Begründung ist in Ägypten rechtlich möglich. Derselbe Scheich Yussuf El Badri, der nun in einer Fatwa zum Schluss gekommen ist, dass Higazy getötet werden muss (nicht sofort, er hat Zeit zum Widerruf), hatte in den 90er-Jahren die Zwangsscheidung des Ehepaars Nasr Abu Zeid betrieben. Der Sprachwissenschafter hatte das Sakrileg begangen, den Koran als „Text“ zu analysieren. Er lebt heute mit seiner Frau in den Niederlanden.

Es gibt in Ägypten kein Gesetz, das Apostasie bestraft. Aber auch keine Klarheit, wie das mit den Dokumenten ist: Offenbar gibt es keine Präzedenzfälle.

Auftritt ägyptischer Großmufti Ali Gomaa: Er wird gefragt, ob Abfall vom Islam zu bestrafen sei. Nicht auf dieser Welt, war mehr oder weniger seine Antwort. Der Großmufti, der bereits gewohnt sein müsste, dass seine aufgeklärten Antworten Widerstand in islamistischen Kreisen hervorrufen, machte diesmal aber einen indirekten Rückzieher. Sein Büro bestätigte zwar, dass es keine Strafe für das Verlassen des Glaubens gebe. Außer: wenn der Akt die soziale Ordnung bedrohe. Eine hochbrisante Aussage, denn so kann man schnell vom Apostaten zum Aufrührer und Staatsfeind werden.

Kalte Füße

Mittlerweile haben jedenfalls ein paar von denen, die Higazy bisher unterstützt haben, kalte Füße bekommen, auch sein Anwalt Mamduh Nakhla legte sein Mandat zurück – aus Sorge um die „nationale Einheit“ und wegen Higazys Familie, wie er sagt. Auch die offizielle koptische Kirche will sich nicht exponieren. Dabei mag mitspielen, dass Higazy ein ganzes Gepäck an Konflikten mit sich herumträgt: Mit Badri hatte er sich – als Journalist – schon früher angelegt, politisch gehörte er zur Protestbewegung Kifaya (die „genug“ zu Präsident Hosni Mubarak sagt), mit der er sich jedoch später überwarf.

Den Kopten, die in den vergangenen Jahren wachsenden Druck von Islamisten bei ausbleibender Unterstützung des Staates beklagen, mag auch das Hemd näher sein als der Rock: Eine ganze Gruppe von Christen, die zum Islam konvertiert sind und diese Konversion wieder rückgängig machen wollen, hat gerade ihren Fall vor Gericht ausgefochten.

An manchen Konversionen zum Islam dürfte der Erzkonservativismus der koptischen Kirche nicht unschuldig sein. Da etwa die Scheidung verboten ist, versuchen manche Kopten, ihre Frauen über den Weg der Konversion zum Islam loszuwerden. Nicht immer stehen also hehre Glaubensmotive am Anfang dessen, was später wie ein Religionskonflikt aussieht. (DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.8.2007)