Demonstrativ gelassen haben die USA auf die Mitteilung von Präsident Wladimir Putin reagiert, russische Langstreckenbomber seien ab sofort wieder ständig und auch außerhalb des eigenen Territoriums in der Luft. Dieser Schritt komme "nicht völlig überraschend", hieß es aus dem Weißen Haus lapidar. Man habe sehr gute Arbeitsbeziehungen mit den Russen.

Diese Äußerungen unterscheiden sich angenehm von der Kalten-Kriegs-Rhetorik, die sich nach der Rede Putins bei der Münchener Sicherheitstagung im Februar kontinuierlich aufgeschaukelt hatte und im Konflikt um die US-Raketenabwehrpläne in Europa ihre Fortsetzung fand. Inzwischen scheint man auch in Washington erkannt zu haben, dass das geopolitische Imponiergehabe, zu dem Moskau zurückgekehrt ist, sehr viel mit den bevorstehenden Parlamentswahlen (im Dezember) und vor allem mit den Präsidentschaftswahlen (im März) zu tun hat und dass man mit scharfen Reaktionen nur den Hardlinern in Russland in die Hände arbeiten würde.

In Russland selbst ist das Projekt "Gelenkte Demokratie" weit fortgeschritten: mit weitgehend gleichgeschalteten Medien, einer Parteienlandschaft nach Kreml-Design, Kontrolle der ohnehin schwachen Opposition und der nur rudimentären Zivilgesellschaft, Aufbau einer Kreml-treuen Jugendorganisation und vielem anderen. Jetzt geht es darum, diese innenpolitische Stabilisierung - wie fragwürdig sie auch sein mag - geopolitisch abzusichern, indem man dem eigenen Volk bedeutet: Seht her, wir sind wieder wer, wir können den Amerikanern wieder Paroli bieten. Unausgesprochener Zusatz: wie zu Sowjetzeiten.

Dabei kommen Putin und seinen "silowiki", den starken Männern aus dem Geheimdienst- und Militärapparat, mehrere objektive Faktoren entgegen: die hohen Energiepreise (einschließlich der Abhängigkeit Europas von den russischen Importen), das Irak-Debakel der USA und, durch die Immobilien- und Börsenkrise verdeutlicht, Amerikas wachsende wirtschaftliche Probleme.

Dazu kommen Themen wie der US-Raketenschirm und der künftige Status des Kosovo: Für Moskau sind sie in dieser Phase ein Geschenk des Himmels. Sie ermöglichen die Neuauflage eines Spiels, das der Kreml zu Sowjetzeiten virtuos beherrscht hat: Keile zwischen die westlichen Partner zu treiben, sei es zwischen die USA und die Europäer, sei es innerhalb Europas.

Wie schon beim Unternehmen "Gelenkte Demokratie" zeugt die Choreografie des russischen Vorgehens von Professionalität und Konsequenz. Dass nur wenige Tage vor den großen Antiterror-Manövern der Shanghai-Gruppe (Russland, China, Kirgistan, Tadschikistan, Kasachstan, Usbekistan) ein mysteriöser Anschlag auf die Bahnlinie Moskau-St. Petersburg verübt wurde - reiner Zufall? Dass Putin am Ende dieser Manöver die Wiederaufnahme der Langstreckenbomber-Flüge verkündete und mit einer nicht näher erläuterten Bedrohung Russlands begründete, war jedenfalls sicher kein spontaner Entschluss.

Er fügte sich in eine lange Reihe von Ankündigungen und konkreten Schritten: Produktion neuer Atom-U-Boote und Interkontinentalraketen, Vetodrohung im UN-Sicherheitsrat gegen eine Unabhängigkeit des Kosovo, Aufpflanzen einer russischen Flagge unter dem Nordpol zur Bekräftigung von Gebietsansprüchen, Aufbau eines eigenen Raketenabwehrsystems.

Offenkundig ist, dass sich Moskaus geopolitische Imponiergesten mit dem Näherrücken der Wahlen häufen. Ebenso offenkundig sind die Motive dahinter. Putin ist im Jahr 2006 mit dem Versprechen angetreten, Russland wieder stark zu machen. Nun soll klar gemacht werden, dass dies erreicht wurde und nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, unter welchem Kreml-Chef auch immer. Vor allem aber soll das Wahlvolk mobilisiert werden. Denn das demonstrative politische Desinteresse der Bürger, wie Umfragen es belegen, passt wohl schlecht zum Bild des starken Russland à la Putin. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.8.2007)