Betrifft: Ulrich Bergers Gastkommentar "Quantenmystik und Biokram" (27. 7.) - weitere Reaktionen und eine Replik des Autors.

Wie "pseudo" ist die Alternativmedizin?

Als Mitglied der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) versucht Ulrich Berger fragwürdige Forschungspraktiken anzuprangern, bei der Mobilfunkforschung schießt allerdings Vodafone-Preisträger Berger unreflektiert über das Ziel hinaus. Gerüchte werden zu Diffamierungen, Formulierungen wie "Handyskeptiker (...) soll festgestellt haben (...)" stellen "Hörensagen" vor Fakten. Ein Anruf bei den namentlich genannten und somit in schiefes Licht gerückten Wissenschaftern der Medizinischen Uni Wien hätte vermutlich Klarheit geschaffen, wenngleich dem Schreiber eine Pointe verdorben.

Bezüglich der mir zugeschriebenen Befunde ist es zutreffend, dass vor mehreren Jahren von einer Firma eine Studie in meinem Labor zwar gewünscht, aber von mir nicht durchgeführt wurde. Zu einer aussagekräftigen Studie ist es nach zwei, drei "brainstormings" und explorativen Ansätzen gar nicht nicht gekommen. Somit wird mir etwas unterstellt, was ich selbst vermutlich behutsam verhindert habe, nämlich die Erstellung einer parawissenschaftlichen Verkaufsargumentation.

Wem wollte man also nützen, wenn eine durchaus begüßenswerte Initiative zur Bekämpfung von "Voodoo in der Wissenschaft" durch die unreflektierte Verbreitung von Gerüchten und die Anschwärzung von qualitätsverpflichteten Medizin-Wissenschaftern sich selbst die Legitimation nimmt?

A. o. Prof. Dr. med. Wilhelm Mosgöller,
Med. Univ. Wien

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Der guten Ordnung wegen möchten wir festhalten, dass das in Bergers Kommentar genannte Interuniversitäre Kolleg für Gesundheit und Entwicklung Graz/Schloss Seggau in einer von der Europäischen Kommission geförderten Initiative zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen gegründet wurde und zwei Masterlehrgänge anbietet. Seine Mitarbeiter in Forschung und Lehre sind akademisch ausgewiesene Personen, über deren Qualifikation und wissenschaftliche Beiträge leicht zugängliche Publikationsverzeichnisse wie Medline Auskunft geben (vgl. auch die Erwiderung von Prof. Michael Frass im STANDARD vom 1. 8.).

Das Kolleg versteht es als seinen Auftrag, sich ohne Berührungsängste auch mit nicht konventionellen Themen kritisch auseinanderzusetzen. Dabei scheint gerade in den "komplementären" Bereichen des Gesundheits- und Bildungswesens eine vorurteilsfreie Bearbeitung der Dinge dringend nötig.

Dr. Dr. h. c. mult. Heinz Spranger,
Prof. a. D., ehem. Mitglied des Aids- and Poverty-Panels der Südafrikanischen Regierung, Medizinischer Leiter des Kollegs;

Dr. P. Christian Endler, Prof. a. D., WHO-Experte zur Homöopathieforschung, "Scientist of the Year" des International Biographical Centre Cambridge, Wissenschaftlicher Leiter des Interuniversitären Kollegs für Gesundheit und Entwicklung Graz/Schloss Seggau

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Die im STANDARD publizierten Reaktionen auf meinen Kommentar bieten teilweise tiefe Einblicke in die Argumentationsmuster der Pseudowissenschaft. Dr. Mosgöller weist ebenso wie Prim. Nader (28. 7.) auf meinen Vodafone-Preis hin. Will man damit suggerieren, ich sei ein von der Mobilfunkindustrie bezahlter Lobbyist?

Es müsse zulässig sein, sich an Universitäten mit Akupunktur und Homöopathie zu beschäftigen, werde ich ermahnt, und letztere hätte ich zu Unrecht in die Nähe von Voodoo gerückt, behauptete Univ.-Prof Michael Frass am 1. 8. an dieser Stelle, und Atox-Geschäftsführer Wolfgang Nagele sieht überhaupt die gesamte Alternativmedizin verdammt und meint, ich hätte Prof. Frass die Qualifikation abgesprochen. Keiner der Vorwürfe trifft zu.

Die von mir erwähnte "Elektroakupunktur" ist - dies an die Adresse der Herren Spranger und Endler - ein wissenschaftlich nicht anerkanntes Diagnoseverfahren via Hautwiderstandsmessung und hat nichts mit klassischer Akupunktur zu tun. Aufmerksame Lektüre meines Beitrags hätte auch ergeben, dass die Homöopathie gar nicht mein Thema ist. Dass sie überhaupt auftaucht, liegt an der magischen Anziehung, die Voodoo-Technik offenbar auf viele Homöopathen ausübt. Wenn Mosgöllers Abgrenzung von parawissenschaftlichen Verkaufspraktiken im Übrigen etwas weniger "behutsam" erfolgt wäre, dann würden seine "explorativen Ansätze" jetzt vielleicht auch nicht mehr neben seinem Namen im Internet zirkulieren.

Schließlich: Dass Frass' AKH-Studien durch die Ethikkommission gehen, ist eine Selbstverständlichkeit, sie waren aber nie Gegenstand meines Kommentars. Dieser bezog sich auf jene Atox-Studien, die Frass gemeinsam mit einer ehemaligen Atox-Mitarbeiterin verfasst hat und über die man nicht im Lancet liest, sondern in bunten Postillen wie Natur-Heilkunde, Der freie Arzt oder Regenbogen Apotheke. Das Perfide daran ist, dass Frass, gerade weil er qualifiziert ist, natürlich klar sein muss, dass diese nicht Placebo-kontrollierten und nicht referierten Untersuchungen wissenschaftlich wertlos sind.

PS: Der "Wissenschaftsstreit" um den Biocomputer, den Nagele ortet, ähnelt dem, den Kreationisten zur Evolutionstheorie ins Treffen führen - er existiert nicht. Physikern entlocken die Unterlagen von Atox bestenfalls ein mitleidiges Lächeln. Daran ändern Quantenmysterien ebenso wenig wie die Berufung auf Prof. Zeilinger, der auch schon für die Teleporteure der Donau-Uni herhalten musste ...

Ulrich Berger (DER STANDARD, Printausgabe, 8. August 2007)