Alexander Kohler, Geschäftsführer der Österreichischen Qualitätssicherungsagentur (AQA) gibt den Ausstieg der Österreichischen Universitäten am CHE-Ranking bekannt.

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Nach dem Ausstieg der Schweiz Anfang des Jahres werden sich künftig auch die Österreichischen Universitäten nicht mehr am CHE-Hochschulranking (Centrum für Hochschulentwicklung) beteiligen. Das teilte Alexander Kohler, Geschäftsführer der Austrian Agency for Quality Assurance (AQA) im Interview mit derStandard.at mit. Seit 2004 koordinierte AQA das CHE-Ranking für die österreichischen Unis. Kohler führte methodische Kritikpunkte als Grund für den Ausstieg an. Über Uni-Rankings sagte er: "Sie bieten keine umfassende Information über die Qualität einer Universität. Sie stellen nur einen Ausschnitt des Leistungsspektrums dar." Außerdem sprach er mit Katrin Burgstaller darüber, wie Universitäten seriös evaluiert werden können und woran sich künftige StudentInnen bei der Uni-Wahl orientieren sollen.

derStandard.at: Kürzlich wurde das aktuelle Ranking der Shanghai University veröffentlicht. Demzufolge sind einige österreichische Universitäten zurückgefallen. Die angewandte Rankingmethode wird generell massiv kritisiert, aber wie beurteilen Sie den Einfluss der Ergebnisse? Wer ist daran interessiert?

Kohler: Dieses Ergebnis interessiert in erster Linie die Öffentlichkeit und die Medien. Die Universitäten reagieren auf diese Rankings Gott sei Dank etwas gelassener als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Der Grund dafür ist: Es bietet keine Überraschungen mehr. In diesem und in anderen Rankings werden statische Größen erfasst, etwa die Zahl der Nobelpreisträger. Die Anzahl der Nobelpreisträger einer Universität verändert sich jedoch über Jahrzehnte kaum. Das führt auch dazu, dass immer dieselben Universitäten unter den Top- Unis bleiben.

Das Shanghai-Ranking ist ausschließlich forschungsorientiert. Es gibt keine Auskunft über die Lehrqualität einer Universität. Rankings sind generell mit großer Vorsicht zu genießen. Sie bieten keine umfassende Information über die Qualität einer Universität. Sie stellen nur einen Ausschnitt des Leistungsspektrums dar. Zur Qualitätssicherung im Hochschulbereich sind sie deshalb kaum geeignet.

derStandard.at: Österreich beteiligt sich beim CHE-Hochschulranking. Die Schweizer Rektorenkonferenz ist Anfang des Jahres aus dem Ranking ausgestiegen ...

Kohler: Die österreichischen Universitäten haben bisher teilgenommen. In der nächsten Runde werden sich die Unis nicht mehr über die AQA beteiligen. Wir haben einige wesentliche methodische Kritikpunkte im CHE-Ranking festgestellt. Das war der Anlass, das Projekt nicht weiterzuführen.

derStandard.at: Welche methodischen Kritikpunkte haben Sie konkret festgestellt?

Kohler: Das CHE-Ranking basiert etwa auf sehr geringen Stichprobengrößen und ist deshalb statistisch gesehen nur bedingt aussagekräftig. Die Rahmenbedingungen der österreichischen Universitäten werden im CHE-Ranking nur unzureichend erfasst. Wir haben in Österreich weitgehend freien Hochschulzugang, was zu Massenstudien führt. Damit herrschen im Gegensatz zu deutschen Universitäten, wo der Hochschulzugang in Massenfächern reglementiert ist, völlig unterschiedliche Bedingungen vor.

derStandard.at: Wird sich Österreich in dieser Form also an keinem Ranking mehr beteiligen? Gibt es eine Alternative zur Evaluation der Hochschulen?

Kohler: Es kann sein, dass einzelne österreichische Universitäten am CHE-Ranking teilnehmen. Meinen Informationen zu Folge werden sich die meisten österreichischen Unis aber nicht mehr beteiligen.

Eine Alternative gibt es, allerdings nicht in der Form eines klassischen Rankings in dem Daten aufbereitet werden, die in erster Linie der Veröffentlichung dienen. Die Alternative ist ein Benchmarking-Verfahren (Anm.: Vergleichende Analyse mit einem festgelegten Referenzwert), das wir mit einigen Universitäten und Fachhochschulen durchführen. Dabei werden nicht punktuell einzelne Outputgrößen miteinander verglichen. Vielmehr werden Leistungen in den Bereichen Forschung und Lehre in einen Zusammenhang gesetzt und anhand verschiedener Messgrößen verglichen. Berücksichtigt werden Ressourcen und Organisationsstrukturen, welche die Hochschulen steuern können.

Die Universitäten und Fachhochschulen erhalten damit aussagekräftige Informationen, die sie für ihre interne Qualitätsentwicklung nutzen können. Zudem können sie aus gegenseitigem Erfahrungsaustausch lernen. Außerdem haben die Universitäten die Möglichkeit, ihre internen Qualitätsmanagementsysteme durch die AQA anhand eines internationalen Labels zertifizieren zu lassen. Wir denken, dass wir mit einem derartigen Verfahren den Universitäten und Fachhochschulen sehr viel mehr bieten können als durch ein Hochschulranking, das deren Rahmenbedingungen nur unzureichend berücksichtigt.

derStandard.at: Was würden Sie einem Studienanfänger bei der Wahl der Universität raten – Woran soll man sich orientieren?

Kohler: Ich denke, man soll sich als Studienanfänger oder Studienanfängerin über die Berufsperspektiven eines Studienabschlusses kundig machen. Auch darüber geben Rankings keine Auskunft. Die Studienbedingungen an Universitäten sollte man sich persönlich ansehen. Natürlich kann man einen Blick auf Rankings werfen, man sollte sich aber nicht von ihnen verleiten lassen. Ich denke, dass eine fundierte Studieninformation viel mehr bringt als der Blick aufs Ranking.

derStandard.at Die Qualitätssicherung der universitären Lehre wird in Österreich zunehmend ernst genommen und professioneller betrieben. Negative Evaluationsergebnisse können Konsequenzen haben. Glauben Sie, dass die Evaluation der Lehre motivierend wirkt oder kontraproduktiv ist?

Kohler: Ich denke, die Qualitätssicherung der Lehre ist absolut notwendig. Man kommt nicht umhin, die Gestaltung von Lehrplänen und didaktische Qualität eines Lehrenden bewerten zu lassen. Studierende spielen dabei eine sehr wichtige Rolle. Wichtig ist, das Feedback der Studierenden über einen längeren Zeitraum hinweg zu betrachten. Ich halte wenig davon, dass die Ergebnisse eines einzelnen Semesters zu Konsequenzen führen. Mit Lehrenden sollen entsprechende Feedbackgespräche geführt und Konsequenzen gezogen werden. Mit Konsequenzen meine ich in erster Linie Qualifikationsmaßnahmen im didaktischen Bereich.

derStandard.at: Sollen die Ergebnisse einzelner Lehrveranstaltungsevaluationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?

Kohler: Man sollte Evaluationsergebnisse grundsätzlich einer Öffentlichkeit zugänglich machen, damit sie an Verbindlichkeit gewinnen. Eine Evaluierung sollte sich jedoch nicht in Richtung eines an-den-Pranger-stellens von schlechten Leistungen entwickeln. Vielmehr sollten sie dazu genutzt werden, Verbesserungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. (derStandard.at/Katrin Burgstaller, 21. August 2007)