Zur schönen Aussicht und übleben Beschallung: Kreuzwirt

foto: www.gasthaus-kreuzwirt.at
Ein traumhaft schöner Ausflug, mit meiner Holden habe ich drei Tage Steiermark vor mir: zwei exzellente Wirten, dazwischen Ausspannen in der Therme. Das erste Ziel ist der Kreuzwirt am Pössnitzberg ( von Harald Fidler bereits besucht ). Die Karte ist verheißungsvoll, die Wahl fällt ohne viel Federlesens auf das siebengängige Menü.

Würg!

Während wir uns von Gänseleber-Variationen zur Mousse au chocolat durcharbeiten, bleibt dazwischen Platz für Irritation. Nicht nur über den couragierten Umgang von Gerhard Fuchs mit Kochsalat und gepfefferten Kirschen, sondern auch über einen ganz speziellen Gruß aus der Küche, der uns unaufgefordert dargereicht wurde. Der Kreuzwirt versteht sich offenbar auf Schweinsohren! Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, dass die Musikanlage des Restaurants penetranteste Töne von sich gegeben hat: Claire de Lune im eigenen Schmalz! Zweierlei vom Pachelbel-Kanon, natur & à la Panflötenorchester! Würg!!!

An unserem Tisch herrscht Ratlosigkeit. Muzak soll ja dazu dienen, Kundinnen und Kunden zum Konsum zu animieren. Warum aber ausgerechnet in der Spitzengastronomie? Gerade bei Lokalen vom Schlage eines Kreuzwirt darf doch angenommen werden, dass die Gäste schon lange vor ihrer Anreise die Entscheidung treffen, sich verwöhnen zu lassen, und nicht so sehr aufs Geld schauen. Glaubt das Wirtsvolk allen Ernstes, dass Konservenmusik dazu animieren kann, einen weiteren Gang einzulegen oder einen noch teureren Wein zu bestellen?

Stimmiger...

Zwei Tage später, ein anderer Schauplatz, ein ähnliches Problem. Das Restaurant Saziani Neumeister (Harald Fidler hatte ein paar Tage Vorsprung) soll den krönenden Abschluss des Kurzurlaubs bilden, und aus kulinarischer Sicht glückt dieses Vorhaben einwandfrei.

Insgesamt wirkt das Menü unter der Regie von Jürgen Kleinhappl einen Deut stimmiger als bei seinem Vor-Vorgänger und nunmehrigen Kreuzwirt-Koch Gerhard Fuchs. Beispiel gefällig? Mit dem wunderbar knackigen Eierschwammerl-Kompott hängt Kleinhappl den Kreuzwirt souverän ab, denn bei dessen Frischkäse-Beigabe zur Hummersuppe mag sich am Pössnitzberg kein Sinn erschließen. Auch der Huchen mit Paradeisern, Basilikum und Gnocchi in Straden macht mehr Freude als Fuchs’ Waller mit Venusmuscheln und Oktopus, wiewohl letzterer ebenso perfekt gegart war.

Gleichstand meines Erachtens bei den süßen Zwischengängen – Cappuccino von der Valrhonaschokolade samt Chilli bei Saziani, Sorbets von Gin Tonic und Cuba Libre beim Kreuzwirt, wobei: da ortet immerhin meine Begleitung einen Vorteil für den Kreuzwirt, aber das schiebe ich auf ihr Faible für Gin Tonic.

...aber nur kulinarisch

Sei dem wie wolle: Das Wetter erlaubt es, bei Saziani in Straden auf der Terrasse zu sitzen. Ein Glücksfall, denn die Stereoanlage beschallt lediglich den Gastraum, das Gedudel dringt nur fetzenweise ins Freie. Die Mischung ist dafür allerdings noch eigenwilliger als Jürgen Kleinhappls Umgang mit Chilli: Zwischen Strauß-Walzer und Schubert-Tänze mischen sich versprengte Streichquartett-Sätze aus Klassik und Romantik. Immerhin: keine Synthesizer-Bearbeitungen, keine Panflöten, keine nachgearbeiteten Streichschmalz-Arrangements – eine großes Plus im Vergleich zum Kreuzwirt.

Das Rätsel der wilden Musik-Mischung löst der Kellner übrigens auf Nachfrage: nein, er wisse nicht, was da gerade im Hintergrund läuft, denn die Musik komme von einem großen CD-Wechsler, der auf "Shuffle" geschaltet sei. Schweinsohren also auch bei Saziani, wenn auch in einer etwas milderen Marinade als beim Kreuzwirten.

Warum nur, warum?

Warum nur, warum müssen Österreichs Top-Gastronomen uns derart quälen? Kreuzwirt und Saziani bleiben einander wenig schuldig, wenn es um Qualität der gebotenen Speisen und Getränke geht. Auch auf das Ambiente – von der architektonischen Gestaltung über die Dekoration der Tische bis zum makellosen Service – wird sichtlich höchster Wert gelegt, wurde viel Geld in die Hand genommen. Das Ergebnis ist über jegliche Zweifel erhaben, denn da wie dort bekommt man Herausragendes Essen und Trinken für sein Geld.

Was also motiviert diese Wirten dazu, ihrem Publikum Musik-Konserven von teils abscheulicher Qualität aufzunötigen? Vor allem aber: wie kann man diesen Gastgebern begreiflich machen, dass sie sich mit derartiger Musikauswahl nichts Gutes tun? Wie würde Gerhard Fuchs reagieren, wenn ich ihn um Ketchup oder Tubenmayonnaise bitte, damit ich ein qualitativ verbindendes Element zwischen seinen Gerichten und der Musik im Kreuzwirt habe? Hätte Jürgen Kleinhappl viel Freude damit, wenn ich seine durchdachte Menüreihenfolge ähnlich auf den Kopf stelle wie Sazianis CD-Wechsler die Sätze eines Haydn-Streichquartetts? Kurzum: Ist den Eigentümern und Köchen überhaupt bewusst, was sie ihren Gästen zumuten?

Es mag schon sein, dass man sich auch in der gehobenen Gastronomie erhofft, durch passende musikalische Untermalung die Stimmung und Konsumfreude zu heben. Aber: wäre es dann nicht geboten, auf die Qualität der Musikauswahl wenigstens einen Bruchteil jener Aufmerksamkeit zu verwenden, die man Küche, Keller, Tischen und Service widmet? Sollten wir vielleicht dazu übergehen, hirnlose Musikauswahl als Grund zu nehmen, um Lokale zu boykottieren? Postings erbeten!

Abbitte beim Borstenvieh

PS: Beim Borstenvieh muss ich Abbitte leisten, und zwar für den Gebrauch des Begriffs "Schweinsohren": Schweine haben in Wahrheit ein sehr gutes Gehör und reagieren äußerst empfindlich auf Lärm im Stall. Ich schlage daher vor, ein Schweinsohr-Piktogramm als Positivauszeichnung in Gault Millau und Co. aufzunehmen – als Hervorhebung für all jene Lokale, die uns unerwünschte Beschallung ersparen.