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Mutiger Aktionist, weltoffener Lehrer, progressiver Rektor: Alfred Ebenbauer.

Foto: apa/gindl
Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt." Ein zentrales Zitat von Thomas Bernhard, voll nihilistischer Wucht. Und ein Gefühl, das sich angesichts des unerwarteten Todes von Alfred Ebenbauer, dem Alt-Rektor der Universität Wien (1991-98), bei den Betroffenen einstellt.

Alfred Ebenbauer liebte Thomas Bernhard, Albert Drach und viele andere der brillant bösen österreichischen Gegenwartsautoren, obwohl sein Fach eigentlich die mittelalterliche Literatur war. Er hatte vielfältige Interessen, war Präsident des Akademischen Austauschdienstes (ÖAD) wie auch der Wiener Opernfreunde.

Er wollte noch Gastprofessor im Iran werden und eine Ausstellung zur Wiener Jahrhundertwende in New York mitorganisieren, als wir uns kurz vor seinem Tod das niemals vermutete letzte Mal sahen.

Locker im Trenchcoat

An jenem 11. August 2007 erzählte er Anekdoten vom früheren Universitätschauffeur, der regelmäßig mit ihm, dem Rektor, verwechselt worden war, weil - so bleibt hinzuzufügen - Ebenbauer mit seinem jungenhaften Charme und seinem obligaten Columbo-Trenchcoat nie dem Klischee des verknöchert autoritären Uni-Funktionärs entsprach. Ein entspannter Sommermittag, eine Tafelrunde unter Freunden. Doch dann schlugen andere Wogen, die qualvolle Seite seines Lebens, über Alfred Ebenbauer zusammen, und dann war er plötzlich tot.

Ebenbauer war ein Steirer im besten Sinn des Wortes. Nach seinen Gymnasiumsjahren in Judenburg absolvierte er in Wien ein Studium mit Auszeichnung, wurde 1970 nach einem kurzen deutschen Intermezzo Assistent am Wiener Institut für Germanistik und 1981 (mit 36) ordentlicher Universitätsprofessor. Eine wissenschaftliche Erfolgsgeschichte, deren liebenswertes Rezept ihr produktives Chaos war; mit Bürokratie hatte sein kreativer Stil nichts zu tun.

Zeichen des Aufbruchs

Ebenbauer war ein charismatischer, weltoffener Lehrer und Forscher, der auf Förmlichkeiten wenig Wert legte - und damit seinen Studierenden vorlebte, dass die verzopften Jahre der Wiener Nachkriegszeit endgültig vorbei waren. Vor allem aber befreite er sein Fach, die mittelalterliche Literatur, von dem Odium, langweilig und belanglos zu sein. In seinen Vorlesungen und Publikationen wurde sie spannend, ja faszinierend - und sehr unterhaltsam.

Als Ebenbauer 1991 nach etlichen Jahren als Dekan zum Rektor der Universität Wien und später zum Vorsitzenden der Österreichischen Rektorenkonferenz gewählt wurde, war er ein klarer Hoffnungsträger für viele - und er hat sie nicht enttäuscht. Er brachte einen frischen, legeren wie progressiven Wind an die Alma Mater und scheute nicht vor Konflikten zurück. So etwa, als er aufdecken half, dass an der Medizinischen Fakultät während der NS-Zeit die Leichen von ermordeten Juden und Widerstandskämpfern für wissenschaftliche Zwecke verwendet worden waren. Ebenbauer entschuldigte sich dafür öffentlich im Namen der Universität. Ähnlich souverän ging er mit den Querelen um das problematische Kriegerdenkmal in der Aula der Wiener Uni, dem so genannten Siegfried-Kopf, um.

Als wichtigstes politisches Ereignis fiel die Diskussion und Implementierung des Universitätsorganisationsgesetzes (UOG 1993) in Ebenbauers Amtszeit. Sein größter Clou war freilich die geschickt verhandelte Schenkung des Alten AKH an die Universität Wien und die Errichtung des dortigen Campus - der auf seine Anregung hin neben etlichen Lokalen und Kultureinrichtungen auch eine kleine Uni-Brauerei beherbergt. Allein dafür hat er das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik, das er 2005 erhielt, verdient.

Ebenbauer blieb Aktionist: So protestierte er während und nach seiner Amtszeit als Rektor immer wieder öffentlichkeitswirksam gegen Budgetkürzungen im Wissenschaftsbereich, unter anderem auch dadurch, dass er in der Wiener Innenstadt Vorlesungen für Passanten unter freiem Himmel hielt.

Sehnsucht nach Ruhe

Von den hochschulpolitischen Grabenkämpfen ermüdet, zog er sich 1998 von der Uni-Spitze zurück und begründete dies mit der "Sehnsucht nach der wissenschaftlichen Ruhe seines Faches". Er wurde noch einmal Vater, und wieder Lehrer, Forscher, Vortragsreisender - und Institutsvorstand der Wiener Germanistik. Die ersehnte Ruhe freilich hielt nicht an.

Von seinen alten Studierenden wurde Alfred Ebenbauer gerne mit König Artus, dem sagenhaften Chairman der Ritter-Tafelrunde, verglichen, zumal er auch selbst über das höfische Epos und dessen charismatische Helden geforscht hatte:

Was wir, die wir diesen Spitznamen im Mund führten, freilich übersahen, war, dass es in jenem Epenzyklus nach Zeiten der Abenteuer, der Freundschaft und des Glücks kein Happyend gibt: Artus hinterlässt ein Land zerrissen im Bürgerkrieg; sein tragischer Tod indes erschüttert Freunde und Abtrünnige.

So ging denn auch mit Alfred Ebenbauer der Wissenschaftslandschaft Österreichs ein einmaliger, einladender Führungsstil verloren, verbunden mit einem scharfen und doch lockeren Geist, der in dieser Form wohl nicht mehr wiederkehren wird. (Clemens Ruthner/DER STANDARD-Printausgabe, 22. August 2007)