Beängstigender als die wenigen, die zugeschlagen haben, sind die vielen gewesen, die zusahen. Eine Neonazi-Parolen grölende Menge hetzte am Sonntagmorgen nach einem Stadtfest acht Inder durch die Straßen der ostdeutschen Ortschaft Mügeln. Passanten und Festgäste sollen tatenlos zugesehen haben. Erst ein massiver Polizeieinsatz beendete die grausige Jagd. Die acht Inder wurden verletzt. Während in Mügeln keiner etwas gesehen haben will, ist in Deutschland eine hitzige Debatte über den Rechtsextremismus im Osten entbrannt.

Warum ist das Problem trotz Programmen gegen Rechtsextremismus und Wirtschaftsaufschwung nicht gelöst? Einerseits weil klassische Erklärungsmodelle für rechte Gewalt - vom perspektivenlosen Ostdeutschen - zu kurz greifen, sagt der Rechtsextremismusexperte Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes. Der Zusammenhang zwischen Armut und rechten Schlägern besteht dann, wenn der Faktor der niedrigeren Schulbildung miteinbezogen wird. Zugeschlagen wird vor allem dort, wo es keinen Widerspruch gibt. In Ostdeutschland hat sich offenbar die Gesellschaft an ein bestimmtes Maß an rechter Gewalt gewöhnt. Andere Faktoren kommen hinzu. Sachsen weist die höchste Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten auf. Nirgends ist die rechtsextreme NPD so stark wie in Sachsen. Und rechtsextreme Gewalt entsteht vor allem dort, wo es verhältnismäßig wenig Ausländer gibt.

Waren die Lösungsansätze bisher unbrauchbar? Nein. Aber sie müssen forciert werden. Für Wissenschaft und Medien könnte es interessant sein, weniger der Frage nachzugehen, warum rechtsextreme Gewalt entsteht, als Gründe zu suchen, warum die meisten nicht mitmachen. Verstärkt gefördert gehört die sinnvolle Freizeitbeschäftigung - Stichwort Jugendzentren. Aber vor allem muss auf Bildung - auch politische Bildung - gesetzt werden. Die Hetzjagd von Mügeln war nicht die letzte. Aber vielleicht schauen das nächste Mal weniger zu. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.8.2007)