Der Stoppie. Nachgerade lexikalisch korrekt durchgeführt mit einer BMW HP2 Megamoto.

foto: sulzbacher

"Nur so nebenbei: Alles, was an der Megamoto wie Carbon aussieht, ..." Oh, ich ahne schreckliches á la, "… schaut geil aus, kann aber nix." "... ist auch wirklich Carbon. Und das nicht nur am Pressemotorrad, sondern auf allen HP2 Megamotos!" Eine starke Ansage aus dem Hause BMW. Alle HP2 Megamotos sind aber nicht so viele, wie man meinen möchte. Die edle Ware wird nur in limitierter Stückzahl erzeugt.

Ja, richtig. Edle Ware. Diese BMW ist ja auch keine Supermoto, sondern eine Megamoto. Sie hat nicht einen Zylinder, sie hat derer gleich zwei. Und was für welchane! Boxerzylinder. Schräglagensensoren quasi. Aber ich hab sie nicht und nicht anschleifen mögen.

Dabei hätte es mich so sehr interessiert, ob die Magnesiumabdeckung schöne Funken schlägt. Kein Glück. Keine Funken außen also, aber heftiges Feuerwerk innen: Doppelzündung, Vier-Ventil-Technologie und Einspritzung.

Bei einem Hubraum von 1170 Kubikzentimeter ist da bald einmal die Hölle los. Dass der Boxer in Sachen Drehmoment aus dem Vollen schöpft und 115 Nm bereithält, wird niemanden wundern. Für den Extrapunch hat man die Ausgleichswelle gleich einmal nicht verbaut. Die HP2 Megamoto leistet dazu auch noch um mehr als eine handvoll PS mehr als die Enduroversion und bringt es auf satte 113 PS.

Grund für den Leistungszuwachs dürfte der zweiflutige Akrapovic sein – natürlich auch serienmäßig. Der mächtige Trötengott Akra sorgt für High-End-Boxersound, ohne dabei aufdringlich laut zu sein. Man kann also getrost an der Musikanlage daheim sparen und die so frei gewordene Kohle in Sprit investieren, damit man dem Boxerorchester lauschen kann, das man selbst dirigiert.

Beim Sprit zahlt es sich ohnedies aus, eine belastbare Geldbörse zu haben. Die BMW ist ein bisserl eine Tussi und gurgelt lieber mit 98-Oktan-Wasser als mit dem üblichen 95-oktanigen Superbenzin. Also Sekt statt Prosecco.

Dass manche Tankstellen dann aber nur Champagner feilbieten – den 100-Oktan-Sprudel – und den Sekt aus dem Verkaufskatalog gestrichen haben, kann manchmal schon nerven. Kann, muss aber nicht. Weil auch wenn die BMW gerne hätte, sie muss ja nicht. Dank der automatischen Klopfregelung verarbeitet die Megamoto auch den 95-Oktan-Superbenzin ohne zu klingeln. Oder zu schnoferln, wie eine Tussi das halt täte.

Geklingelt hat es aber, als ich vom Radstand von 1615 Millimetern hörte. Also schönes Radl, aber halt nicht ums enge Eck zu bringen, dachte ich mir. Aber nur bis zur ersten Ausfahrt. Falsche Adresse, sag ich nur. Bei der verkehrten Tür geklingelt. Durch den tiefen Schwerpunkt des Boxers und das feine Fahrwerk bringt man die Megamoto so schnell ums Eck, dass nicht einmal Columbo "eine Frage noch" stellen könnte.

Vorne werkt eine Up-Side-Down-Gabel mit 45 Millimeter Durchmesser, verstellbar in Zug- und Druckstufe und 160 Millimeter Federweg. Hinten kommt Schwedengold zum Einsatz: Nein, ich meine nicht Ikea oder H&M, sondern das hintere Zentralfederbein von Öhlins, das, vollverstellbar, die Luftdruckdämpfung der Enduro ersetzt.

Optischer Leckerbissen, neben dem Öhlinsrohr, sind die Einarmschwinge hinten sowie die edlen blauen Felgen im Turbinendesign. Gewöhnungsbedürftig an einer Supermoto, aber wartungsarm an jedem Motorrad, ist der verbaute Kardanantrieb, auch wenn dieser inzwischen halbwegs dezent ausfällt. Auffälliger geben sich die mächtigen vorderen Bremsscheiben.

>>>Klimatische Verstimmung

Klar hat die Megamoto kein ABS. Perfektes Bremsen ist aber auch so ein Kinderspiel und Stoppies sind, durch den tiefen Schwerpunkt des Boxers, ein Kinderspiel. Höchstes Suchtpotential. Und gleichzeitig ein Wecker. Denn ein paar Vorderradblockierer am Weg in die Arbeit, wenn der Grip wegen der Klimaanlagenpfütze eines Autos grad wieder einmal nicht reicht, lassen einen erst so richtig munter werden.

Recht munter wirken auch die Armaturen, die keine Wünsche offen lassen. Die Spritanzeige hüpft, bevor die letzten beiden Liter angebraucht werden, in den Reservemodus. Tankvolumen: 13 Liter. Und mit diesen 13 Litern Sprit und allen anderen benötigten Flüssigkeiten bleibt die BMW immer noch unter 200 kg.

Mit ihrem Trockengewicht von 179 kg ist sie sogar leichter als die KTM 950 Supermoto. Zu verdanken dürfte das dem edlen Kohlenstoff sein, der zwar nicht glänzt wie ein Diamant, aber als Carbon die Bubenherzen höher schlagen lässt. Kohlenstoff ist teuer, wenn er grad nicht als Graphit in Holz in Form von Bleistiften über den Ladentisch wandert.

Leichtes Carbon, viele PS und jede Menge Drehmoment schlagen sich deshalb mit über 20.000 Euro zu Buche. Dafür hat man dann aber ein höchst exklusives und sehr feines Eisen. (Text: Guido Gluschitsch, Fotos: Martin Sulzbacher, derStandard.at, 30.8.2007)

Guido Gluschitsch ist Redakteur beim Motorradmagazin.