Auch wenn die Klimatologen trommeln, was das Zeug hält. Auch wenn die sehr fundierten, breit angelegten Untersuchungen zum Treibhauseffekt warnen, dass schnell gehandelt werden müsse, um das Klima für kommende Generationen nicht zu sehr aufzuheizen: Das Folgeabkommen zum Kioto-Protokoll, das derzeit in Wien in seinen Grundlagen und im Dezember in Bali auch politisch ausverhandelt wird, darf nicht zu einem Monster werden, das weite Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft regelt - und damit womöglich knebelt.

Ein zu langer an die Kio- to-Verhandler gerichteter Wunschzettel würde zudem die nicht unwesentlichen CO2-Verursacher USA und Australien nochmals verschrecken, die sich bis dato nicht dazu durchgerungen haben, bei dem gemeinsamen Treibhausgassparen mitzumachen.

Trotz der vielen Schelte, die das derzeitige Kioto-Abkommen bereits hat einstecken müssen: Es beinhaltet Instrumente, die derzeit nicht einmal noch richtig wirksam geworden sind: Erleichterte Umweltinvestitionen in arme Länder und Handel mit Industrie-Emissionsberechtigungen beispielsweise. Diese Instrumente auf eine breitere Basis zu stellen, die USA und Australien ins Boot zu holen und in die derzeitigen Systeme zu integrieren: Das wäre schon viel; das würde dem Klima gut tun und wahrscheinlich auch dem politischen Klima.

Den Schwellenländern China, Brasilien und Indien - alle wachsen dank Globalisierung zu mächtigen Treibhausgas-emittenten heran - gehören ebenso integriert. Russland nicht zu vergessen. In all diesen Ländern geht Wirtschaftswachstum vor Umweltschutz, und wenn man sich den CO2-Ausstoß pro Kopf ansieht und diesen mit dem Pro-Kopf-Ausstoß eines Bewohners der Industrieländer vergleicht, bringt man Verständnis für die Prioritätenliste dieser Schwellenländer auf. In all diesen Ländern existieren noch weite, unberührte Waldflächen. Diese zu schützen muss den Kioto-Vertragsstaaten künftig etwas wert sein. Urwälder, seien sie in Sibirien oder am Amazonas, haben eine wichtige, das Weltklima regelnde Funktion. Man würde sich wünschen, dass das Bewahren dieser Wälder in den Folgevertrag einfließt und die Länder dafür auch eine Kompensation erhalten.

In ein Kioto-Folgeabkommen, das den Klimaschutz ab dem Jahr 2013 regelt, dürfen nicht zu viel neue Elemente, nicht allzu viel Technologie und Finanzinvestments hineinreklamiert werden. Die Gefahr, dass ein überfrachtetes Abkommen herauskommt, das wegen seines planwirtschaftlichen Charakters Abwehrhaltungen auslöst, wäre groß und Wasser auf die Mühlen jener Kritiker, die aus unterschiedlichen Gründen bei dem derzeitigen Klima-Hype nicht mitmachen.

Außerdem müssen die unterzeichnenden Industriestaaten so wie beim derzeitigen Kioto-Protokoll die Entwicklungsländer im Wesentlichen draußen lassen. Wie beim laufenden Kioto-Vertrag auch, kann von den armen Ländern des Südens kein Treibhaus-sparen verlangt werden.

Der Süden - nicht die boomenden Schwellenländer - sieht die Klimawandeldiskussion vielfach und zurecht als ein Mittel der Industrieländer, wieder nicht auf Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit achten zu müssen, nach dem Motto: Das Klima ist wichtiger. Vertreter des Südens kritisieren zu Recht, dass sie mit Dürren und Versteppung zuallererst die negativen Folgen des Klimawandels tragen müssen, eines Wandels, der vom Energiehunger der Industrieländer verursacht wurde. Das dabei oft genannte Schlagwort: Klimakolonialismus.

Bei aller Dringlichkeit, der Erderwärmung etwas entgegenzusetzen: Ein Folgevertrag zu Kioto muss vieles bewahren, muss jetzt die einmal eingeführten Klimaschutz-Instrumente verbessern und markttauglich machen. Und es muss so gestaltet werden, dass die USA und Australien, die Schwellen- und die Entwicklungsländer damit leben können. Ein an Planwirtschaft orientiertes, von UN-Organisationen verwaltetes Monster gehört da nicht dazu. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.08.2007)