Wien - "Ich habe in meinem Leben schon viel gesehen, aber so etwas nicht", sagte ein Polizist, nachdem er den Tatort in einem Wohnhaus in Rudolfsheim-Fünfhaus in Wien am Dienstagvormittag verlassen hatte. Ein 19-jähriger Obdachloser soll den 49-jährigen Rudolf S., ebenfalls ein Obdachloser, in einer Notschlafstelle ermordet haben.
Dem Opfer wurde offensichtlich der Schädel eingeschlagen - und dann geöffnet. Zudem ist der Körper an mehreren Stellen vermutlich mit einem Messer aufgeschlitzt worden, innere Organe und Gedärm hingen teilweise heraus. Das Zimmer war überall voller Blut. Der mutmaßliche Täter soll mit blutverschmiertem Mund vor einem Teller gesessen sein.
Die Ermittler vermuteten, dass der junge Mann der Leiche Innereien entnommen hat und dabei war, diese roh zu essen, schilderte Polizeisprecherin Michael Raz. Eine andere Beamtin sagte, offenbar sei dem Opfer der Schädel geöffnet worden, um Teile des Gehirns zu entnehmen. Der Verdächtige ist in Haft.
Tatort war eine als Notschlafstelle verwendete kleine Wohnung in einem Haus in der Reichsapfelgasse im 15. Wiener Gemeindebezirk. Das Opfer und der mutmaßliche Täter hatten dort Quartier genommen, letzterer vor etwa einem halben Jahr.
"Nicht absehbar"
Die Wohnung biete Platz für zwei Personen, die regelmäßig von Sozialarbeitern aufgesucht würden. Das Geschehen sei "nicht absehbar" gewesen, sagt Werner Opat, Betreiber der Einrichtung. Die Notschlafstelle sei als kurzfristige Hilfestellung gedacht, bevor die Klienten entweder in eine normale Wohnung oder in eine betreute Einrichtung übersiedeln könnten. Das nunmehrige Opfer, Rudolf S., wurde darauf vorbereitet. S. war erst am 1. Juni in die kleine Wohnung eingezogen.
Das Verbrechen dürfte schon vor zwei bis drei Tagen begangen worden sein. Entdeckt wurde der Mord am Dienstag gegen 7.45 Uhr. "Eine Angestellte hat nachgeschaut und die Leiche gefunden. Der mutmaßliche Täter befand sich im selben Zimmer. Er hat sich nicht gewehrt, sondern Dinge gesagt wie: ,Schauen Sie nur, was da passiert ist'", berichteten Polizisten. Die Ermittler stuften ihn als geistig verwirrt ein.
Wahnideen
Gerichtspsychiater Reinhard Haller teilt aus der Entfernung diese Einschätzung: "Psychisch schwer abnorm", sagt er. Für ihn gibt es zwei Erklärungen: Entweder der mutmaßliche Täter hatte eine plötzlich auftretende Psychose und verlor völlig die Kontrolle, oder er litt schon vorher an einer schweren sadistischen Störung, die bei einem Streit ihren Durchbruch gefunden hat. Die psychotische Reaktion könnte etwa durch Alkohol und Drogen ausgelöst worden sein. Haller spricht von Wahnideen - wie etwa das Hören von Stimmen.