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Multikulti des alpinen Rechtspopulismus - SVP-Vorsitzender und Justizminister Christoph Blocher ist auf einer Wahlveranstaltung zum Thema ganz in seinem Element

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Multikulti des alpinen Rechtspopulismus - Jörg Haider will "sein" Bundesland durch Verschärfung der Bauordnung vor nachhaltigem Schaden durch "schleichende Islamisierung" in Minarett-Form bewahren

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Heinz-Christian Strache demonstriert mit Gleichgesinnten in Köln gegen die Verdunkelung des abendländischen Horizonts durch morgenländische Gebetstürme

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FPÖ und BZÖ profilieren sich derzeit als Vorreiter im Abkupfern: Nach Heinz-Christian Strache plädiert nun auch Jörg Haider für ein Minarett-Verbot. Wer aber hat's erfunden? - Die Schweizer, in Gestalt von Volkspartei-Chef Christoph Blocher - Von Oliver Geden*
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Vor nicht einmal zehn Jahren konnte sich Jörg Haider noch mit einigem Recht als Avantgarde des europäischen Rechtspopulismus fühlen. Seine Partei erreichte Rekordergebnisse, seine Kampagnen und Aktionsformen wurden von Gleichgesinnten im Ausland oft und gern kopiert. Heute ist es genau umgekehrt. Haider kupfert bei den anderen ab. Jüngstes Beispiel: das für Kärnten angekündigte Minarett-Verbot.

Nicht Haider hat es erfunden, auch nicht die Strache-FPÖ, die das Urheberrecht nun hysterisch für sich reklamiert. Das Copyright liegt bei der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Ein von prominenten SVP-Politikern getragenes Komitee hat am 1. Mai die Eidgenössische Volksinitiative "Gegen den Bau von Minaretten" lanciert. Sie fordert die Aufnahme eines expliziten Minarett-Verbots in die helvetische Bundesverfassung. Bis November 2008 hat die Initiative nun Zeit, um 100.000 Unterschriften zu sammeln. Ist sie damit erfolgreich, wird es schließlich zu einer Volksabstimmung kommen.

Seitdem die SVP mit der Initiative auf den Plan getreten ist, macht die Forderung nach einem Minarett-Verbot europaweit Karriere, nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in Frankreich und Belgien. Der Kopf der Kampagne, SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer, ist in der europäischen Anti-Islam-Szene derzeit einer der gefragtesten Gesprächspartner. Das liegt weniger daran, dass zuvor noch niemand auf die Idee gekommen wäre, ein Verbot von Minaretten zu fordern. Weit wichtiger ist, dass diese Forderung von der stimmenstärksten der Schweizer Regierungsparteien erhoben wird, womit sich jeder Extremismusverdacht leicht wegwischen lässt.

Am schnellsten war die FPÖ. Schon Anfang Juni brachte sie einen Entschließungsantrag ins Parlament ein, mit dem sie die Aufnahme eines Minarett-Verbots in die österreichische Verfassung fordert. Ausdrücklich nimmt sie darin auf die Initiative der SVP Bezug. Mit der nun erfolgten Ankündigung, die Kärntner Baugesetze verschärfen zu wollen, um sich "der schleichenden Islamisierung Europas" entgegenzustellen, versucht Haider, der FPÖ ein erfolgversprechendes Thema streitig zu machen. Diese reagiert dementsprechend nervös. In bis zu fünf Presseaussendungen täglich stellt sie die Glaubwürdigkeit des "Türkenfreunds Haider" in Abrede. FPÖ und BZÖ liefern sich wieder einmal einen Streit darüber, wer alltagsrassistische Ressentiments am besten mobilisiert, wer das "Geschäft mit der Angst" (Ex-BZÖ-Staatssekretär Mainoni) am einträglichsten betreiben kann.

Blaue Abschreiber Für Rechtspopulisten wie Haider und Strache ist es aber nicht nur wichtig, welche inhaltlichen Positionen sie vertreten, sondern auch, dass sie als selbst ernannte Vertreter des "kleinen Mannes" möglichst authentisch erscheinen. Da ist es nur folgerichtig, dass beide vehement abstreiten, bei der SVP abgekupfert zu haben. Schließlich behaupten Rechtspopulisten gerne, lediglich den Anliegen der "schweigenden Mehrheit" Gehör zu verschaffen. Nun lässt sich leicht belegen, dass BZÖ und FPÖ ganze Passagen aus dem Argumentarium der Schweizer Minarett-Verbot-Initiative abgeschrieben haben, nicht zuletzt die zentrale Behauptung, bei Minaretten handele es sich um Symbole des religiösen und politischen Machtanspruchs des Islam. Weitaus interessanter ist jedoch, dass sich insbesondere die FPÖ immer stärker an der Schweizerischen Volkspartei orientiert. Und das nicht ohne Grund.

Die von Christoph Blocher dominierte SVP ist derzeit die erfolgreichste Vertreterin des europäischen Rechtspopulismus. Bei den letzten Nationalratswahlen erreichte sie fast 27 Prozent, beim nächsten Urnengang im Oktober wird sie ihren Stimmenanteil in etwa halten können. Sie ist ein Musterbeispiel dafür, wie man auch als Regierungspartei konsequent Oppositionspolitik gegen die "politische Klasse" betreiben kann - eine Aufgabe, an der die Freiheitlichen bekanntermaßen gescheitert sind. Dabei hilft der SVP nicht nur eine straffe Organisation und ein langfristig angelegtes Themenmanagement. Ihr kommt auch die besondere Verfasstheit des politischen Systems der Schweiz zugute. In einer Konkordanzregierung ohne Koalitionsvertrag kann die SVP nicht zu unliebsamen Kompromissen genötigt werden. Die Referendumsdemokratie erlaubt es der Partei zudem, rechtsverbindliche Volksabstimmungen zu erzwingen, bevorzugt mit ausländerpolitischen und EU-kritischen Themen.

Die FPÖ findet dies offenbar nachahmenswert. Anfang 2006 durfte Ulrich Schlüer in der Freiheitlichen Akademie über den EU-Widerstand der SVP referieren. Nach der Nationalratswahl forderte Strache die Einrichtung einer Konzentrationsregierung "nach Schweizer Vorbild", an der sich auch die FPÖ beteiligen würde. Ebenfalls mit ausdrücklichem Verweis auf die Schweiz trat Strache kürzlich für die Einführung von gesetzeswirksamen Volksinitiativen ein. Bereits im September will die FPÖ eine entsprechende Petition starten.

Im Vorfeld der EURO 2008 nehmen Österreicher und Schweizer vermehrt voneinander Notiz. Bei den Rechtspopulisten ist die Rollenverteilung kaum anders als im Fußball. Die Österreicher schauen neidvoll auf die Erfolge der Eidgenossen. Im alpinen Rechtspopulismus gibt Blochers SVP derzeit den Takt vor. FPÖ und BZÖ müssen sich vorerst damit begnügen, ihr schweizerisches Pendant nachzuahmen. (DER STANDARD Printausgabe 30.8.2007)