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Carlos Ghosn, Chief Executive Officer beim französisch-japanischen Autokonzern Renault-Nissan: Weitere Konsolidierung der Industrie wird kommen.

Foto: Reuters/Toernstroem

Renault-Nissan-Oberboss Carlos Ghosn (53) gilt nach der Rettung des früher sehr maroden japanischen Herstellers Nissan als einer der "Wunderwuzzis" in der Autoindustrie. Er bewegt sich in einer Branche, die im Westen angesichts gesättigter Märkte und steigender Rohstoffkosten stark unter Druck steht, die von Klimaschützern massiv angegriffen wird, die andererseits in Osteuropa, China, Indien, Brasilien oder dem Nahen Osten riesige Wachstumschancen sieht und auch ergreifen will.

Angesichts etwas stockender Verkaufszahlen seines Gesamtkonzerns stellt er sich derzeit oft den Medien und erklärt den Zustand der Industrie und seine Ziele. So auch diese Woche in St. Wolfgang am Wolfgangsee, wo Renault derzeit das Mittelklassemodell Laguna vor Journalisten aus ganz Europa präsentiert.

STANDARD: Gespräche über eine Elefantenhochzeit in der Autoindustrie zwischen Renault-Nissan und General Motors sind zuletzt gescheitert, Daimler und Chrysler wurden wieder geschieden. Sie gelten aber nach wie vor als Verfechter von Großfusionen. Warum das?

Ghosn: Die Industrie ist heute in keiner gesunden Situation, weil insgesamt die Gewinne sinken. Wir stehen wegen steigender Preise bei Rohmaterialien und Energie unter Druck. Und die Industrie hat keine Preismacht gegenüber den Konsumenten, um irgendeinen Kostendruck weiterzugeben. Das kann man nur mit hohen Volumina kompensieren.

STANDARD: Was bedeutet das?

Ghosn: Wenn eine Industrie die Preismacht verliert, dann kommt es zur Konsolidierung. Schauen sie sich die Geschichte der Stahlindustrie an. Die aktuelle Situation der Autoindustrie ist nicht stabil. Es gibt den Technologiewechsel, es gibt neue Handelsformen, die chinesischen und indischen Hersteller kommen, Private-Equity-Fonds kaufen sich ein. Niemand weiß aber, wann die Konsolidierung passiert. Das kann einen Monat dauern, ein Jahr oder zehn Jahre. Aber die Faktoren sind präsent.

STANDARD: Sind Sie persönlich derzeit aktiv dran, eine Fusion zu pushen?

Ghosn: Nein. Ich glaube nicht, dass man das anschieben kann. Aber es wird passieren. Unterm Strich war unsere Erfahrung mit Renault und Nissan sehr positiv. Deswegen schaut man auf uns, als ein Gebilde, das eine Rolle spielen könnte. Der Versuch mit General Motors ist aber schief gegangen. Im Moment drängen wir also nicht.

STANDARD: Sie warten also, bis es den amerikanischen Konzernen so schlecht geht, dass sie es billiger geben?

Ghosn: Nein, das ist es nicht. Cerberus hat Chrysler übernommen. Wir haben uns da nicht bewegt und schauen einmal zu. Und bei den Gesprächen mit General Motors haben unsere Stakeholder auch noch mehr Risiken als Möglichkeiten gesehen.

Der Renault-Nissan-Grande wurde danach nach seinem möglichen Interesse an Jaguar und Volvo gefragt, jenen Marken aus dem Hause Ford, die der schwächelnde US-Konzern dem Vernehmen nach versilbern will. Ghosn dazu: "Das ist alles eine Frage des Preises." Außerdem brauche Nissan keine Luxusmarke, denn man habe eine eigene, Infiniti, die 2008 auch nach Europa kommen soll. (Man hat eine ähnliche Strategie wie Toyota mit Lexus, Anm.) Renault wiederum habe selbst genug zu tun – nämlich Profitabilität, Verkaufszahlen und Qualitätsniveau zu verbessern – und brauche derzeit auch keine zusätzliche Marke.

STANDARD: Zum Thema Klimawandel. Sie haben für ihren Konzern ambitionierte Wachstumsziele. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die Emissions-Gesetze immer schärfer werden – Stichwort: Nachfolge des Kioto-Protokolls ab 2012. Wie passen da Wachstumspläne dazu?

Ghosn: Ich glaube ohnehin nicht, dass die Autoindustrie in gesättigten Märkten wie USA, Japan, Westeuropa insgesamt wachsen wird. In Europa wird ein Plus auch nur geschafft, weil Osteuropa so zulegt. Das heißt, die Regulatorien werden dazu beitragen, dass die reifen Märkte im besten Fall stabil bleiben. In den Entwicklungsländern ist das Auto noch immer ein Symbol der Freiheit oder des Status, nicht beladen mit Schuld.

STANDARD: Das heißt, kommende CO2-Restriktionen werden die Industrie gar nicht so stark treffen?

Ghosn: Doch, aber nur in gesättigten Märkten.

Auf die Frage, womit denn Menschen in Westeuropa künftig fahren werden? – spricht Ghosn von einer "neuen Chance für das Elektroauto", und fügt hinzu: "Batterieproduzenten sind künftig sicher ein gutes Investment." Nur sei derzeit noch nicht klar, "welcher Hersteller die besten Ergebnisse liefern wird." (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.8.2007)