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Joschka Fischer

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Russland sucht erneut eine Rolle als globale Macht: die russische Flagge auf dem Meeresgrund am Nordpol, um so die russischen Ansprüche auf Gebiet und Bodenschätze zu demonstrieren; die Ankündigung des Baus eines Raketenabwehrsystems; der Einschlag einer "verirrten" Rakete in Georgien; ein "Hackerangriff" auf die Computer in Estland. Zudem wiederholen sich Drohungen mit "Problemen" bei Öl- und Gaslieferungen.

Die hohen Öl- und Gaspreise, die globale Selbstschwächung der USA durch das Irak-Abenteuer und der Aufstieg Chinas und Indiens haben Moskau offensichtlich zu einer außenpolitischen Wende veranlasst. Zwar hält die Politik an ihrer Grundsatzentscheidung der frühen 90er-Jahre zur Westöffnung fest. Gleichwohl hat sich der Stil erkennbar weg von der Kooperation hin zur Konfrontation verändert.

Russland ist nach wie vor eine große globale Macht und viel zu wichtig, als dass man es isolieren oder gar vergessen könnte, auch wenn sein Bruttosozialprodukt nur in etwa dem von Italien entspricht. Bleibt Russland abhängig von einer Ökonomie, die überwiegend auf Rohstoffe gründet, so wird es machtpolitisch erneut ein Koloss auf tönernen Füssen sein. Nur wenn es gelingt, die Gewinne der Petroökonomie in eine nachhaltige Modernisierung des gesamten Landes auf breiter Grundlage zu reinvestieren, kann Russland eine nachhaltige Modernisierung gelingen.

Dazu wird es aber ebenso einer erfolgreichen politischen Modernisierung bedürfen, und diese bedeutet nichts Geringeres als die Begrenzung der Macht des Zentrums. Am wichtigsten wird sich dabei die Durchsetzung einer tatsächlichen Unabhängigkeit der Justiz erweisen. Als Zweites stellt sich die Frage, ob es dem Land gelingt, gründend auf seiner eigenen politischen Kultur und Tradition, ein System von "Checks and Balances" zu entwickeln, das mit der Herrschaft des Rechts die Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist. Und als Drittes muss die Frage beantwortet werden, ob sich in Russland ein funktionierendes Parteiensystem entwickeln kann, das eine Demokratie zu tragen in der Lage sein wird. Angesichts der Größe des Landes spricht alles für ein Zweiparteiensystem. (© Project Syndicate / Institut für die Wissenschaften vom Menschen, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1./2.9.2007)