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Leichter auszusprechen
Freilich nicht als Acetylsalicylsäure, was kaum jemand, ohne sich dabei zu verhaspeln, aussprechen kann (weshalb Fachleute die Abkürzung ASS vorziehen), sondern unter dem Markennamen Aspirin. Aspirin half nicht nur, den Ruf Deutschlands als "Apotheke der Welt" zu begründen, sondern brachte auch die Generikaindustrie ins Rollen: Unzählige Kopien und Kombinationspräparate drängten auf die Märkte. Die bekanntesten sind Spalt, Togal und Alka-Seltzer, das von Bayer aufgekauft wurde. Der Hersteller des Originals hat das Feld nicht geräumt, sondern seine Marktführerschaft mit allen Mitteln eines Pharmaunternehmens verteidigt. Das heißt: auch mit Forschung.
Eine fürs Herz
Heute, Montag, gibt der deutsche Konzern in Wien den Startschuss zu einer aufwändigen Aspirin-Studie. In fünf Ländern soll an rund 12.000 Patienten mit leicht erhöhtem Herzinfarktrisiko eine vorbeugende Wirkung des rezeptfrei erhältlichen Wirkstoffs belegt werden. Ort und Zeitpunkt der Bekanntgabe sind kein Zufall: Seit Samstag tagt im Wiener Messezentrum der Europäische Kardiologenkongress.
Für Herzmediziner ist die vorbeugende Wirkung gegen Herz- und Schlaganfälle längst keine Neuigkeit mehr. ASS wirkt blutverdünnend, und ein erheblicher Anteil der Infarkte wird nun einmal durch Gerinnsel ausgelöst. Von mehreren Fachgesellschaften wird darum Patienten mit besonders erhöhtem Infarktrisiko die tägliche Einnahme empfohlen. Besonders häufig ist sie Teil der Therapie nach einem überstandenen Infarkt.
Eine fürs Vorbeugen
Jedes Jahr erscheinen hunderte Fachaufsätze über ASS. Kein Wirkstoff ist besser untersucht. Schmerzstillend wirkt er, weil er die Bildung des Botenstoffs Prostaglandin hemmt, der Zellverletzungen ans Gehirn meldet, wo dann Schmerzgefühle ausgelöst werden. Um die landläufige Einnahme gegen Schmerzen, Migräne, Kater, Erkältung oder Fieber geht es in der neueren Forschung nur am Rande. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der vorbeugenden Wirkung von ASS. In den USA soll es jeder dritte Erwachsene regelmäßig einnehmen.
Eine fürs Denken
Studien haben Hinweise erbracht, dass dadurch das Risiko für Darmkrebs und Magenkrebs reduziert wird. Selbst das Eintreten von Alzheimer soll der vielseitige Wirkstoff hinauszögern. Allerdings wird ASS nicht von allen gut vertragen. Einige regelmäßige Anwender erleiden innere Blutungen. Bei Patienten ohne erhöhtes Infarktrisiko dürfte das Schlaganfallrisiko leicht steigen. Wegen der Nebenwirkungen haben die Fachgesellschaften die Empfehlung zur vorbeugenden Einnahme bisher auf Patienten mit hohem Risiko eingeschränkt. Und obwohl rezeptfrei, soll es nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt regelmäßig eingenommen werden.
Potenzial zur Vorbeugung
Nun legen neuere Analysen nahe, dass sich die Nachteile in Grenzen halten, wenn die ASS-Dosis niedrig genug gewählt ist. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Jama erschienene Review kam zu dem Ergebnis, dass für die vorbeugende Wirkung wahrscheinlich bereits dreißig Milligramm täglich ausreichen, während bei höherer Einnahme die Risiken, etwa für innere Blutungen, signifikant steigen.
Bayer fühlt jedenfalls Rückenwind und hat die in Österreich bereits seit 2005 zugelassene Vorbeugeversion im Juli auf den Markt gebracht.
Vielfältige Palette
Aspirin Protect ist nur das jüngste Produkt in einer breiten, ausdifferenzierten Palette, durch die der Marktführer alle Anwendungsbereiche abzudecken beabsichtigt, und ist mit hundert Milligramm dosiert. Das ist zwar nahezu dreimal so viel wie aus pharmakologischer Sicht nötig, aber zugleich nur ein Fünftel der Wirkstoffmenge, die in den gegen Schmerzen, Kater oder Erkältung angebotenen Pillen, Granulaten oder Kautabletten steckt.
Gutes Geschäft
Ein gutes Geschäft verspricht es allemal zu werden. Ein Gramm ASS kostet im Großhandel weniger als einen Cent. Der Kunde, der in der Apotheke das Aspirin-Packerl entgegennimmt, legt pro Gramm Wirkstoff das Hundertfache hin. Die Preise der anderen Hersteller liegen um bis zu drei Viertel niedriger.