Am Montag erfolgte der offizielle Durchschlag im Wienerwaldtunnel.

Foto: Standard/Christian Fischer

Mit der Vortriebsmaschine haben sich die Bautrupps aus dem Tullnerfeld bis in die Wiener Weichenhalle vorgearbeitet.

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Die Reise von Wien nach Salzburg wird auf 2,5 Stunden verkürzt.

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Wie es ist, wenn am Tunnel ernsthaft gearbeitet wird? "Man sieht nichts, überhaupt nichts", antwortet Sprengmeister Ewald Roth auf diese Frage. Dann fliegen nämlich derartige Mengen Dreck durch die Luft, dass der Nebenmann "oft gar nicht zu erkennen" und die zur Standardausrüstung jedes Arbeiters gehörende Staubmaske "eigentlich viel zu wenig" sei, erzählt der lang gediente Tunnelbauexperte - und nimmt einen tiefen Schluck Bier.

Montagvormittag wurde freilich in der kirchenhohen Röhre nicht gesprengt, gebohrt und gebuddelt, sondern der Tunneldurchstich gefeiert - obwohl dieser, streng genommen und rein technisch, schon vor mehreren Wochen stattgefunden hat. Heurigentische, Bier-Zapfhähne und Buffet, Band-Gedudel und clubbingverdächtige Scheinwerferbeleuchtung in Ggrün Gelb und Rot standen dort, wo ab 2013 die Intercityzüge durchrasen sollen. 200 Meter oberhalb, an der frischen Luft, liegt Purkersdorf - oder zumindest "ein Stück Wienerwald irgendwo dort in der Gegend", sagt Vorarbeiter Stefan Skerget. Ganz genau weiß das hier unten, in der künftigen Weichenhalle des Wienerwaldtunnels, niemand.

Über 200 Stundenkilometer

In der Weichenhalle wird die Eisenbahnröhre nach 2,2 Kilometern eintunneliger Zweigleisigkeit in 11,1 Kilometer zweitunnelige Eingleisigkeit in Fahrtrichtung St. Pölten übergehen. Züge aus der Bundeshauptstadt werden dort auf über 200 Stundenkilometer beschleunigen, aus St. Pölten kommende abbremsen. Für hohe Zug-Geschwindigkeiten seien einröhrige Tunnels geeigneter, weil sicherer, erläutert Georg-Michael Vavrovsky, Vorstand der Infrastruktur Bau AG und somit höchster Bauherr des wichtigen Infrastrukturprojekts.

Die Sicherheit der Fahrgäste in dieser - zusammen mit dem Lainzer Tunnel - längsten Eisenbahnröhre Österreichs soll laut Vavrovsky durch "Notausstiege nach oben hin und Fluchtwege in den anderen Tunnel" hochgehalten werden. Ja, ein Tunnel über insgesamt 26,2 Kilometer Länge berge gewisse Gefahren, vor allem im Brandfall, weiß Vavrovsky. Doch schnellere Bahnverbindungen seien eben anders nicht zu bewerkstelligen: "45 Minuten von Wien nach St. Pölten, zweieinhalb Stunden von Wien nach Salzburg: Das ist wirklich konkurrenzfähig!", geriet Wiens Verkehrsstadtrat Rudolf Schicker (SP) - nicht zum ersten Mal -ins Schwärmen.

Prunkstück Erdreibe Vavrovsky und Schicker standen im Scheinwerferlicht, vor einer von zwei Vortriebsmaschinen, mit der sich die Bautrupps, aus Richtung Chorherrn im Tullnerfeld kommend, durch das Wienerwaldhügel-Gestein gegraben haben. Aus Richtung Wien wurde, wie auch im kommunalen U-Bahnbau üblich, gesprengt und gegraben.

Wie eine überdimensionale Gemüsereibe ist die Vortriebsmaschinenscheibe in den halbfertigen Tunnel gepfropft. Die Erdmassen, durch die sie sich mit der Kraft von 156.000 Kilonewton - zum Vergleich: ein VW-Käfer entwickelt in voller Fahrt 0,1 Kilonewton - gekämpft hat, sind nicht mehr da. Zum Höhepunkt des Pressetermins wurde die Maschine kurz angestellt: Ein körperlich spürbares Dröhnen erfüllte den Tunnel. Es staubte auf Schnitzel und Erdäpfelsalat. "So", sagte Sprengmeister Roth zufrieden, "ist's hier normalerweise schon eher." (Irene Brickner/DER STANDARD – Printausgabe, 4.9.2007)