Zur Person
Ulf Johansson, 49, ist seit zweieinhalb Jahren Chefredakteur der schwedischen Zeitung "Nerikes Allehanda" in Örebro.

Foto: Håkan Risberg
Standard: Warum haben Sie das umstrittene Mohammed- Bild veröffentlicht?

Johansson: Wir hatten eine große Diskussion in Schweden über die Bilder (von Lars Vilks, Anm.), weil viele Galerien überlegt haben, sie zu zeigen. Sie haben sich aber dazu entschieden, das nicht zu tun, etwa aus Sicherheitsgründen. Viele schwedische Zeitungen haben darüber berichtet und die Bilder gezeigt. Wir haben das eine Bild zusammen mit einem Artikel publiziert, in dem es um Meinungs- und Religionsfreiheit ging. Diese beiden Freiheiten müssen Hand in Hand gehen. Es gab also zwei Ziele: Meinungs- und Religionsfreiheit zu diskutieren und über die Galerien zu berichten, die es nicht wagten, die Zeichnungen zu zeigen.

Standard: Haben Sie sich über mögliche Konsequenzen, wie gewaltsame Proteste, Gedanken gemacht?

Johansson: Natürlich, aber ich dachte, das sei ein sehr kleines Risiko. Viele schwedische Zeitungen haben die Bilder vor uns veröffentlicht - und es gab keine Debatte.

Standard: Auch das Bild mit dem Hund, um das es geht?

Johansson: Ja, natürlich. Erst als wir das veröffentlicht haben, ist eine sehr große Debatte ausgebrochen. Das ist komisch. Die Situation in Dänemark (vor eineinhalb Jahren, Anm.) war aber eine andere. Jyllands-Posten hat bei den Karikaturen damals die Initiative ergriffen. Hier war ein Künstler, der versucht hat, seine Zeichnungen auszustellen - was er nicht konnte.

Standard: Warum hat es ausgerechnet durch Ihre Veröffentlichung Proteste gegeben?

Johansson: International zum Thema geworden ist es vor allem, weil wir Proteste auf lokaler Ebene hatten. Es waren die ersten (nach Veröffentlichung in "Nerikes Allehanda", Anm.). Ein Grund ist, dass wir große Muslimgruppen in dieser Stadt (Örebro, Anm.) haben, mit vielen Einwanderern. Aber ich bin immer noch überrascht, dass unsere kleine Zeitung das ausgelöst hat.

Standard: Was sagen Sie jetzt zu der Tatsache, dass es sogar international Proteste gegeben hat, zum Beispiel in Pakistan?

Johansson: Es interessiert mich sehr, den lokalen Muslimen zuzuhören. Wenn ich etwas publiziere, betrifft es sie, sie lesen meine Zeitung. Aber die Menschen in Pakistan lesen sie nicht. Es ist ein bisschen absurd, eine internationale Reaktion auf etwas zu haben, was sich in einer kleinen schwedischen Stadt abspielt.

Standard: Sollten Medien für die Meinungsfreiheit das Risiko einer gewalttätigen Reaktion eingehen?

Johansson: Als Herausgeber veröffentliche viele Sachen, die für viele Leute nicht sehr nett sind. Menschen reagieren auf unterschiedliche Dinge. Ich kann nicht daran denken, dass jemand möglicherweise ärgerlich wird oder Gewalt provozieren könnte. Natürlich muss ich mögliche Reaktionen immer bedenken. Aber man darf sich von so einer Möglichkeit auch nicht einschüchtern lassen.

Standard: Wenn man aus Angst vor solchen Reaktionen Dinge nicht veröffentlicht - ist das Ihrer Meinung nach Selbstzensur?

Johansson: Ja, das ist es. Wenn man eine Ausstellung macht und sagt: "Ich würde diese Bilder gerne zeigen, weil ich sie mag und denke, dass sie wichtig sind - aber ich traue mich nicht, weil ich Angst habe um meine Sicherheit", das ist Selbstzensur. (Julia Raabe/DER STANDARD, Printausgabe, 4.9.2007)