Werner Vogt ist entschieden zu widersprechen, wenn er die jüngsten Reformvorschläge des Rechnungshofes als "Zurufe einer völlig inkompetenten Institution" abtut. ("Die Teufelsanbeter mit dem Rechenstift" , Standard, 29. 8.). Die dringend notwendige Absicherung eines gerechten und solidarischen Gesundheitssystems steht nämlich nicht im Gegensatz zu einer effizienten und kostenbewussten Gestaltung der Leistungen, wie sie der Rechnungshof fordert.

Vergeudung ...

Im Gegenteil: Geld wird heute verschleudert, weil zu viele Akteure behaupten, dass unweigerlich so hohe Kosten anfallen müssen, weil wir Weltmeister in Spitzenmedizin für alle sind. Das täuscht darüber hinweg, dass Mittel durch Überversorgung sinnlos vergeudet werden, während in anderen Bereichen auch in Österreich chronische Unterversorgung zu beklagen ist.

Ernest Pichlbauer führt in der jüngsten Ausgabe des Gesundheitsmagazins ÖKZ besorgniserregende Beispiele entbehrlicher Operationstätigkeit an: So werden in Österreich zu häufig Mandeln entfernt. Der Nutzen der Operation zur Vermeidung von Halsentzündungen ist nicht belegt, allerdings besteht ein erhebliches Risiko durch Nachblutungen, die in drei bis vier Prozent der Fälle auftreten. Italien hat eine geringe Sterberate mit nur einem Todesfall pro 95.000 und es werden nur elf Operationen pro 10.000 Einwohner durchgeführt. In Österreich sind es 67, also fast siebenmal mehr.

Zudem bieten fast alle österreichischen Spitäler Mandeloperationen an, selbst wenn sie über keine HNO-Abteilung verfügen. Das erhöht das Risiko und nicht etwa die Versorgungssicherheit. Trotzdem werden Landespolitiker/innen nicht müde, die Zukunft ihrer kleinen Spitäler mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit regionaler Vollversorgung abzusichern.

Auch die Blinddarmoperation sieht Pichlbauer kritisch: International gilt als statistisch gesichert, dass pro 100.000 Einwohner 85 Entzündungen auftreten. Nichtsdestotrotz werden in Österreich 175 Operationen pro 100.000 Einwohner durchgeführt. Kann es sein, dass medizinisch zumindest fragwürdige Behandlungen vorgenommen werden, weil man Fallzahlen braucht, Betten belegt sein müssen, Standorte und Personaldichte gerechtfertigt werden sollen?

Werner Vogt hat nicht recht, wenn er sagt, dass Spitalsbetten "Unbehandelten, Unterbehandelten, Unbetreuten oder Unterbetreuten" aufgrund von sozialer Indikation zur Verfügung stehen sollten. Es ist nicht nur teuer, sondern vor allem auch unethisch, Fehlbelegungen, z. B. chronische Pflegefälle in Wiener Akutspitälern monatelang auf ein Pflegebett warten zu lassen, oder Kranke stationär zu behandeln, die auch tagesklinisch oder ambulant ebenso gut versorgt werden könnten.

Wien geht wieder einmal mit schlechtem Beispiel voran: Die stationäre Gynäkologie hat seit Jahren Überkapazitäten, weil verbesserte therapeutische Möglichkeiten, viele Aufnahmen unnötig machen. Statt einen entschlossenen Einsparungskurs zu verfolgen, fährt man nun in einer Zick-Zack-Politik bereits stillgelegte Abteilungen wieder hoch. So hatte die Semmelweisklinik unter Michael Adam in den vergangenen Jahren den Auftrag, die hebammengeleitete Geburt, die vielen Frauen in Wien ein Anliegen ist, zum Schwerpunkt zu machen.

Dieses Angebot sollte nach der Schließung des Traditionshauses ins künftige Krankenhaus Nord übersiedeln. Jetzt aber, unter neuer ärztlicher Leitung, schafft man, wie der Standard berichtete, das Projekt kurzer Hand aus rechtlichen Gründen wieder ab. An seiner Stelle wird die stillgelegte chirurgische Gynäkologie reaktiviert. Unverständlich, denn auch ohne neue Kapazitäten werden schon jetzt fragwürdige Anstrengungen im KAV unternommen, die bestehenden Gynäkologiebetten auszulasten. Im vertraulichen Gespräch erfährt man von leitenden Spitalsärzten, dass Patientinnen für eine einfache Curettage bis zu zwei Nächte im Spital verbringen. Man könnte den Eingriff zwar tagesklinisch vornehmen, doch die Bettenbelegung muss optimiert werden.

... der Ressourcen

Es ist angesichts dieser Zustände nachgerade zynisch, dass psychisch Kranke oft Probleme haben, stationär aufgenommen zu werden, weil es an Betten fehlt. Besonders schlecht kann es Jugendlichen gehen. Aus Ressourcenmangel werden sie häufig unter unzumutbaren Bedingungen bei den Erwachsenen untergebracht. Diese Fehlentscheidungen gehen zu Lasten der Patienten - und sie sind sehr teuer: Die hebammengeleitete physiologische Geburt würde nämlich beste Qualität bieten, die Frauen zufrieden stellen und Belagstage und Betten im Spital einsparen. Die frei werdenden Mittel würden andere Fächer, wie die Psychiatrie, Rehabilitation, oder Kindermedizin dringend brauchen!

Der Rechnungshof hat mit seinem Befund recht: Die Zersplitterung der Kompetenzen, die Überversorgung mit Akutbetten und das provinzielle Beharren auf Standortgarantien für kleine Spitäler bewirkt, dass Geld vergeudet wird. Wer das nicht ändern will, handelt gegen die Interessen der Bevölkerung.

Recht zu geben ist Werner Vogt allerdings, wenn er schleichende Einsparungen auf Kosten insbesondere der sozial Schwachen kritisiert. Steigende Selbstbehalte und Rationierungen von Leistungen oder Heilbehelfen sind in der Tat "unerträglich". Um aber dieser Entwicklung ein Ende setzen zu können, braucht es die Reformen, die der Rechnungshof verlangt.