Das geltende Recht in Österreich deckt über die Sorgfaltspflicht der Geschäftsleiter die aufgetretenen Risiken ab. Eine Verschärfung könnte aus Brüssel kommen.

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Die von den US-Hypothekenbanken ausgegangene weltweite Finanzmarktkrise hat eine Diskussion um die Wirksamkeit des Aufsichtsregimes für Banken und den sonstigen Finanzsektor entfacht. Die vergangenen Jahre waren gerade in der EU von einer massiven Anstrengung geprägt, das Bankenaufsichtsrecht zu verbessern – Stichwort Basel II. Ein zentrales Anliegen dabei war die Vermeidung systemischer Risiken, die dazu führen, dass die Krise eines Marktteilnehmers oder -sektors andere, unbeteiligte Teilnehmer erfasst. Gerade diese Risiken scheinen nun eingetreten zu sein. Haben also alle Bemühungen versagt?

Was ist wirklich passiert? Eine Reihe von US-Banken hat über einen langen Zeitraum und in großem Stil mangelhaft gedeckte Hypothekarkredite an Konsumenten vergeben. Risiken aus diesen Krediten wurden „verpackt“ und weltweit auf dem Wege von ABS-Strukturen refinanziert. Dabei kauft zum Beispiel eine Zweckgesellschaft Kreditportfolios an. Die Refinanzierung erfolgt über kurzfristige, erstklassig geratete Geldmarktpapiere (Commercial Paper – CP). Ausfallsrisiken werden von nachrangigen Tranchen übernommen. Da die CP kurzfristig – meist bereits nach 30 Tagen – fällig werden, die finanzierten Kredite hingegen langfristige Laufzeiten haben, stellen Kreditinstitute Liquiditätsfazilitäten zur Verfügung, die nur dann gezogen werden, wenn die CP_nicht durch Neuausgabe anderer CP_refinanziert werden können. Dies galt bisher als nahezu ausgeschlossen; mit dem plötzlichen Austrocknen des CP-Marktes sahen sich einige Banken freilich auch nicht mehr in der Lage, ihre nun schlagend werdenden Liquiditätszusagen im Markt zu refinanzieren.

Kreditverweigerung

In Europa ist die gegenwärtige Krise nicht von Kreditausfällen oder Spekulationsverlusten im üblichen Sinn geprägt, sondern von einer um sich greifenden Verweigerung gegenseitiger Kreditgewährung des Bankensektors, die teils durch die Tendenz institutioneller Investoren verschärft wurde, vorrangig erstklassige Aktiva zu liquidieren. Nun erscheint ausgerechnet der Bereich der Liquidität im geltenden Bankaufsichtsrecht recht knapp geregelt. §25 unseres Bankwesengesetzes (BWG) normiert zum einen eine allgemeine Regel, wonach Kreditinstitute jederzeit für die erforderliche Liquidität zu sorgen haben und entsprechende Planungen einrichten müssen. Zum anderen statuiert §25 BWG, dass Kreditinstitute laufend flüssige Mittel in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes vom Gesetz aufgezählter Verbindlichkeiten vorhalten müssen. Eventualverpflichtungen aus Liquiditätszusagen fallen allerdings nicht darunter – dem Gesetzgeber stand eher der klassische "Bank Run" vor Augen.

Erster EU-Vorstoß

Auf EU-Ebene ist das Thema noch kaum geregelt. Im März 2007 richtete die Kommission einen entsprechenden "Call for Advice" an das "Committee of European Banking Supervisors", das seinen ersten Bericht
im August veröffentlichte. Allerdings dient auch das geltende Großveranlagungsrecht der Liquiditätserhaltung. Nach §27 BWG haben Kreditinstitute „das besondere bankgeschäftliche Risiko einer Großveranlagung jederzeit angemessen zu begrenzen“. Eine Großveranlagung liegt vor, wenn eine Veranlagung (bei Anwendung vom Gesetz vorgesehener Risikogewichtungen) bei einem Kunden oder einer Gruppe verbundener Kunden zehn Prozent der anrechenbaren Eigenmittel erreicht. Großveranlagungen sind vom Aufsichtsrat zu genehmigen und absolut mit 25 Prozent der Eigenmittel begrenzt. Auch Liquiditätskreditzusagen an Zweckgesellschaften wären von dieser Beschränkung erfasst.

Was aber, wenn ein Kreditinstitut eine große Zahl voneinander unabhängiger Zweckgesellschaften finanziert, die aufgrund ihrer Vermögensstruktur alle vom gleichen Ereignis – der Hypothekenkrise - betroffen sind? §2 Z57b BWG definiert den Begriff des Konzentrationsrisikos unter anderem mit Bezug auf "Kunden aus derselben Region oder Branche" oder "mit denselben Leistungen und Waren" und erwähnt ausdrücklich "indirekte Großkredite". Die von §39 BWG normierte allgemeine Sorgfaltspflicht von Bankgeschäftsleitern beinhaltet eine Pflicht zur umfassenden Risikosteuerung, bei der ausdrücklich auch Konzentrationsrisiken zu erfassen sind.

Damit wäre das beschriebene Szenario wohl erfasst und dürfte nicht eintreten. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass die Initiative der Kommission in neuen Aufsichtsregeln resultiert – das geltende Recht deckt den Bereich der durch die jüngste Krise sichtbar gewordenen Liquiditätsrisiken bereits ab. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2007)