In seinem am 25. 8. erschienenen Kommentar der Anderen bricht Arye Wachsmuth, ein Secessionsmitglied, das sich bis vor kurzem nicht unbedingt durch übergroßes Engagement für die institutionellen Belange des Hauses hervorgetan hat, eine Lanze für die umstrittene Präsidentin Barbara Holub. Welche Vorteile der Autor sich davon verspricht, rasch noch auf ein bereits sinkendes Schiff aufzuspringen, sei der Fantasie der Leser/innen überlassen. Ein paranoides Schreckensszenario wird entworfen, in dem ein nimmersatter Museumsdirektor Köb, der laut Wachsmuth "kurz vor seiner Pensionierung steht", und deshalb nach einer Reprise seiner Amtszeit als Secessionspräsident giert, mit einer von ihm alleine auserkorenen "Seilschaft" um Eva Schlegel, eine Umwandlung der Secession von einer Künstler/innenvereinigung in einen Kunstverein orchestrieren will, vielleicht sogar langfristig deren Einverleibung ins Museumsquartier plant.

Die Verschwörungstheorien, die Wachsmuth auch hinsichtlich der Person Edelbert Köbs entwirft, entbehren allerdings jeder Grundlage - eine Junktimisierung zwischen der Ankaufspolitik von künstlerischen Werken durch den Museumsdirektor und einer im vorauseilenden Gehorsam dargebotenen "Linientreue" der "auf einen Ankauf hoffenden Künstler" herzustellen, ist lächerlich, und erscheint in ihrer Unterkomplexheit gegenüber den Strukturen und Ökonomien der Kunstwelt wie eine paranoide Schutzfantasie, mit der eine Begründung für die ungenügende Rezeption des eigenen Werkes konstruiert werden soll.

Zuletzt erscheint der Satz vom "Wohl der Secession" inzwischen nicht mehr als Versprechen, sondern als Drohung: viele, die ihn im Munde führen, sind letztlich vor allem an ihrem eigenen Wohlergehen interessiert. Eine Position im Vorstand verspricht in deren Augen einen Statusgewinn - gemäß der so unauslöschlichen wie gleichermaßen falschen Vorstellung, dass auf diese Weise der eigenen künstlerischen Karriere märchenhafte Vorteile verschafft würden. Wer möchte nicht auch einmal von dieser geheimnisvollen Aura umflort sein, die ein Vorstandsmitglied nach stundenlangen, erschöpfenden und für Normalsterbliche inhaltlich nicht nachzuvollziehenden Vorstandssitzungen umwabert? Ermattet und in Gedanken noch bei den brillanten rhethorischen Gefechten der Sitzung, wankt der Geheimnisträger die Treppen des Kunsttempels hinunter, weicht den fragenden Augen des dort andächtig verharrenden und auf eine Ausstellung hoffenden Kunstvolkes aus, und sagt sich: Und auch heute habe ich wieder einen unverzichtbaren Beitrag zum Wohl der Secession geleistet. Traurig, das alles.

Es ist der Secession und ihren Mitgliedern (und nicht, wie in der neuerdings instituierten und völlig sinnfreien Sprachregelung "MitgliederInnen" formuliert) zu wünschen, dass ein neuer, unbelasteter und nicht von den Vorgängen der vergangenen Zeit traumatisierter Vorstand mit Energie und Konzentration, mit inhaltlichem Anspruch und einer Auffassung von relevanten zeitgenössischen Kunstpraxen nach einer Neuwahl am 12. September die Arbeit aufnimmt. In keiner Weise steht zu befürchten, dass Alt-Präsidenten wie Köb, Krischanitz, Würtinger oder Herrmann zurück in die begehrte Position drängeln. Herrmann, Köb, Krischanitz und Würtinger sind nicht Strippenzieher einer "infamen Verleumdungskampagne", sondern haben als Mitglieder der Secession bloß von ihrem Recht Gebrauch gemacht, ihrer Besorgnis gegenüber den Vorwürfen gegen Barbara Holub und hinsichtlich des Austritts von acht Vorstandsmitgliedern der Künstler/innenvereinigung Ausdruck zu verleihen - und damit doch auch vielen aus der Seele gesprochen.

Rettet lieber die Wale - die Secession muss nicht noch mehr gerettet werden. Aber Neuwahlen müssen her, und zwar presto. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. 9. 2007)