Alle reden über die immer noch schwelende "Subprime-Krise", das größere Bedrohungspotenzial liegt aber im Bereich staatlicher Investmentgesellschaften.

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Die immer noch schwelende US-Hypothekenkrise hat die Debatte um ganz andere Buhmänner des internationalen Finanzkapitalismus in den Hintergrund gedrängt, deren Wirken nicht minder der öffentlichen Aufmekrsamkeit bedarf: Die Rede ist von den so genannten Sovereign Wealth Funds (SWFs). Denn das rasante Wachstum dieser riesigen staatlichen Investmentgesellschaften könnte Auswirkungen haben, die sogar noch weitreichender und mit Sicherheit politisch sensibler sind als die hoffentlich vorübergehenden Börsenkalamitäten aufgrund der US-Immobilienkrise.

Wenn das Wachstum dieser SWFs nämlch unvermindert anhält, werden ihre Investitionen das relative Gewicht des Staates und privat kontrollierter Vermögenswerte in entwickelten Ökonomien permanent verändern. Experten der US-Investmentfirma Morgan Stanley erwarten, dass die SWFs bis zum Jahr 2015 zwölf Billionen Dollar unter ihrer Verwaltungshoheit haben werden, verglichen mit 2,5 Billionen Dollar heute. Beide Summen lassen die von Hedgefonds und Private-Equity-Gruppen kontrollierten Beträge geradezu kümmerlich erscheinen.

Ursachen ...

Zugleich heißt das aber auch, dass in den kommenden Jahren einige der finanzstärksten Investoren staatliche Institutionen sein werden. Dass die größten dieser Institutionen sich in China, im Russland Putins und in einigen instabilen Ölstaaten befinden, ist ein zusätzlicher Grund zur Sorge.

Das Wachstum der SWFs ist eine direkte Folge der Akkumulation von mehr als fünf Billionen Dollar an Devisenreserven durch die Schwellenländer Asiens sowie die öl- und Rohstoff exportierenden Staaten. Aufgrund der Leistungsbilanzüberschüsse dieser Länder sowie ihrer enormen Kapitalzuflüsse haben die jeweiligen Währungsbehörden versucht, eine Aufwertung ihrer nationalen Währungen zu verhindern, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrien zu gewährleisten: Zunächst investierten diese Länder ihre Devisenreserven in flüssige Mittel – kurzfristige US-Schatzanleihen und von anderen Ländern mit Reservewährungen ausgestellte Staatspapiere. Dann erkannten sie, dass ihre Bestände an liquiden Kapitalanlagen mit niedriger Rendite deutlich größer waren, als zur Verhinderung spekulativer Kursentwicklungen, wie sie Ostasien 1997 und Russland 1998 erlebten, erforderlich ist. Warum schließlich sollte man in US-Schatzanleihen mit einer mageren Rendite von 5%, Bundesschatzbriefe mit 4% Rendite oder japanische Staatsanleihen mit einer Verzinsung von 0,5% investieren, wenn man ausländische Firmen kaufen oder in Grundbesitz, die Aktienmärkte oder hoch rentierliche Unternehmensanleihen investieren kann? – Die Antwort schien sich von selbst zu verstehen. Also übertragen die Zentralbanken nun ihre überschüssigen Reserven auf existierende oder im Entstehen begriffene SWFs, die dann ihrerseits in hoch rentierliche Aktien investieren.

... und Folgen

Das Aufkommen der SWFs führt jedoch zu einer politischen Gegenreaktion in der Form eines "Finanzprotektionismus". Beispiele hierfür sind das gescheiterte Bemühen der China National Overseas Oil Company, das US-Energieunternehmen UNOCAL zu erwerben, und das gescheiterte Kaufangebot von Dubai Ports für eine Firma, die wichtige US-Häfen verwaltet. Im US-Kongress sind nun Gesetzesvorlagen anhängig, die darauf abzielen, das Genehmigungsverfahren für ausländische Übernahmen amerikanischer Firmen zu verschärfen, und eine ähnliche Reaktion zeichnet sich auch in Asien und Europa ab. Die Ansichten darüber, wie man am sinnvollsten auf die SWFs reagieren solle, schwanken allerdings: Großbritannien verfolgt eine Strategie des Laissez faire, während in den USA, Frankreich und Deutschland politische Bedenken vorherrschen. Einige machen sich Sorgen über die Wechselseitigkeit: Wenn es chinesischen Unternehmen gestattet ist, in Firmen in den USA und der EU zu investieren, sollten dann amerikanische und chinesische Firmen nicht ungehindert in chinesische Unternehmen investieren dürfen? Anderen bereiten mögliche Auswirkungen auf die nationale Sicherheit Kopfzerbrechen: Was würde passieren, wenn "unsere" Häfen und Sicherheitsbranchen von China, Russland oder Saudi-Arabien übernommen würden? Wieder andere treibt die Tatsache um, dass SWFs in Staatseigentum stehen: Welche Auswirkungen hat es auf die Corporate Governance, wenn die Anleger andere Ziele verfolgen als eine Maximierung der risikoangepassten Renditen?

Düstere Prognosen, wonach der Aufstieg der SWFs bedeuten, dass sich das globale Finanzsystem zu einer Art von Staatskapitalismus entwickelt, mögen übertrieben sein. Doch es schafft erhebliche Komplikationen, wenn eine kleine Gruppe staatlicher Akteure enorme Summen ausländischer Anlagewerte verwaltet. Gelingt es nicht, diese Enwicklung wenigstens einzudämmen und transparenter zu machen, wäre ein weit verbreiteter "Finanzprotektionismus" die nahezu unausweichliche Folge. (© Project Syndicate, 2007; aus dem Englischen von Jan Neumann, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2007)