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Das Symbolbild für den Terror während des "Deutschen Herbstes": Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer wird von der RAF vorgeführt.

Foto: AP /HO
„Die Freiheit ist stärker – der Staat und seine Bürger in bleibender Verantwortung“ – unter diesem Motto wird das offizielle Deutschland am 24. Oktober der Ermordung und Entführung von Hanns Martin Schleyer gedenken. Doch schon jetzt, anlässlich des 30. Jahrestages der Schleyer-Entführung am 5. September 1977, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel klar, dass der RAF-Terror Deutschland nachhaltig geprägt habe.

Zum einen sei das Zusammenhalten von Regierung und Opposition in Krisenzeiten „gute Tradition“ geworden. Außerdem, so Merkel, gelte auch heute noch: „Der Staat darf nicht erpressbar sein.“ Sie selbst habe im Zusammenhang mit der Entführung deutscher Staatsbürger im Ausland schon Situationen erlebt, in denen „schwere Entscheidungen“ zu treffen waren. Dabei müsse man aber „das Ganze im Auge haben“. Das schließe nicht aus, „dass es im Einzelfall auch bitter sein kann“.

Auch Helmut Schmidt (SPD), 1977 Bundeskanzler einer sozialliberalen Koalition, verfolgen die Ereignisse des „Deutschen Herbstes“ 1977 nach 30 Jahren noch. „Ich bin verstrickt in Schuld – Schuld gegenüber Schleyer und Frau Schleyer“, bekannte er eben in einem Interview mit der Zeit. Zwar verteidigt er auch heute noch die Entscheidung, den RAF-Erpressern nicht nachzugeben. Dennoch, so Schmidt, sei ihm in der Zeit, als die Polizei nach Schleyer suchte, immer klar gewesen: „Wenn es nicht gelingt, bist du selbst mitschuldig.“

Nur einmal, 1975, hatte sich die deutsche Regierung erpressen lassen: Damals war Peter Lorenz, CDU-Spitzenkandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, von der „Bewegung 2. Juni“ verschleppt worden. Die Entführer forderten die Ausreise von sechs inhaftierten Gesinnungsgenossen. Fünf davon wurden daraufhin in den Jemen ausgeflogen. Lorenz wurde freigelassen. 1977, bei der Schleyer-Entführung durch die RAF, war der Staat zu solchen Zugeständnissen jedoch nicht mehr bereit. „Ich habe mich nie damit abgefunden, dass der Staat meinen Mann geopfert hat. Ich muss das akzeptieren, aber verstehen kann ich es nicht“, sagt die 91-jährige Witwe Waltrude Schleyer noch heute.

Keine Gnade

Frau Schleyer hat sich anlässlich des 30. Jahrestags der Entführung ihres Ehemannes auch erneut gegen eine Begnadigung von RAF-Terroristen ausgesprochen: „Die Täter haben sich bis heute nicht bei mir und meinen Söhnen gemeldet. Es gab kein Wort der Entschuldigung. Deshalb haben sie auch keine Gnade verdient.“ Von den im Zusammenhang mit der Schleyer-Ermordung Verurteilten ist heute nur noch Christian Klar in Haft. Sein Gnadengesuch hat Bundespräsident Horst Köhler jüngst abgelehnt, Klar muss noch bis 2009 in Haft bleiben. Bei der ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilten Brigitte Mohnhaupt wurde die Reststrafe im Frühjahr zur Bewährung ausgesetzt. Sie lebt jetzt inkognito in Süddeutschland.

Vier tote Begleiter

Schleyer war am 5. September 1977 gegen 17 Uhr 30 in Köln auf dem Weg von seinem Büro nach Hause aus dem Auto gezerrt worden. Dabei wurden sein Fahrer und drei Polizisten erschossen. An diese (und viele weitere) nicht prominenten Opfer der RAF soll bei der zentralen Gedenkfeier im Oktober ebenfalls gedacht werden. Bundespräsident Köhler wird dabei doch keine Rede halten. Er war im Frühjahr von den Opferfamilien kritisiert worden, weil er sich im Rahmen des Gnadengesuchs mit Klar persönlich getroffen hatte, um sich ein Bild zu machen. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 6.9.2007)