Geforscht wird nicht nur in Seibersdorf, sondern auch auf Eigentümerebene - und zwar nach Strategie und Aktionären.

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Mehrere Industrie-Aktionäre des größten außeruniversitären Forschungszentrums des Landes wollen aussteigen, weil sie die Umwälzungen in Seibersdorf nicht goutieren. Alternativ dazu könnte Siemens die Partner auskaufen.

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Wien - Die Harmonie währte nicht einmal ein halbes Jahr: Eineinhalb Wochen nach den Alpbacher Technologiegesprächen ist die Luft zwischen den Eigentümern des Forschungszentrums Seibersdorf wieder dick. Zwar wagt sich mit offener Kritik (noch) niemand aus der Deckung, der Unmut bei den in der Syndikatsgruppe B versammelten Industriebetrieben steigt jedoch.

Der Grund: Mehrheitseigentümer Infrastrukturministerium (50,46 Prozent) nehme zu viel Einfluss auf das operative Geschäft in den - soeben mittels Staatszuschüssen von den unter Schwarz-Blau angehäuften Finanzproblemen befreiten - Austrian Research Centers (ARC). Das Ministerium, konkret Staatssekretärin Christa Kranzl, habe nicht nur die Geschäftsführer Hans Rinnhofer (Finanzen, Vertrieb) und Erich Gornik (Wissenschaft) an eine sehr kurze Leine genommen, sondern greife auch auf die Ebene darunter, also Prokuristen und Bereichsleiter direkt durch.

Nach dem angekündigten Rücktritt von ARC-Vizepräsident (und Ex-ÖIAG-Vorstand) Rainer Wieltsch machen erneut Gerüchte die Runde, einige Industriebetriebe würden aus den ARC lieber heute als morgen aussteigen. Genannt wird u. a. die Berndorf AG.

Infrastrukturminister Werner Faymann will, dass die Betriebe an Bord bleiben. In diesem Zusammenhang ist eine neue Variante aufgetaucht: Siemens könnte alle anderen Industriefirmen bei Seibersdorf auskaufen. Unternehmenschefin Brigitte Ederer - einst Faymann-Kollegin als Stadträtin in Wien, will das nicht kommentieren, fügt aber hinzu: "Ich werden mich persönlich stärker engagieren." Siemens kommt über mehrere Töchter inklusive der ehemaligen VA-Tech-Anteile schon auf 16 Prozent an den ARC.

Im Ministerium reagiert man gelassen: "Reisende soll man nicht aufhalten", heißt es im Kabinett der Staatssekretärin. Das mäßige Interesse der Industrie sei evident und lasse sich unter anderem an den seit Jahren rückläufigen Aufträgen ablesen, die seitens der Eigentümer bei den Seibersdorfern abgerufen würden. Als weiteres Indiz für das Desinteresse wird die mangelnde Präsenz der Industrievertreter im Aufsichtsrat genannt.

Aussprache

Gelegenheit zur Diskussion wird es in den nächsten Tagen und Wochen geben. Erstens ist eine Aussprache zwischen IV-Präsident Veit Sorger (er vertritt die Industriebetriebe informell) und Faymann geplant und zweitens soll noch im September eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung über die neue, abgespeckte Strategie der ARC stattfinden. Sie liegt seit einer Woche in groben Zügen vor und ist Anlass für grundlegende Diskussionen. Bis dahin sollte auch feststehen, wen die Industrie statt Wieltsch für ihr Mandat im Präsidium nominiert.

Immer wieder mit Ausstieg gedroht hatte auch Böhler-Chef Claus Raidl, allerdings, weil ihm die "systematische Unterwanderung" der ARC mit Burschenschaftern, die im Vorjahr in der Bestellung Rinnhofers zum ARC-Geschäftsführer gipfelte, missfiel. Die ARC dürfte keine Versorgungsanstalt für Burschenschafter sein, so die Kritik Raidls, der den Ausstieg nie realisierte. (Andreas Schnauder, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 06.09.2007)