Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen auf einem Niveau von vier Prozent belassen. Sie weicht damit erstmals von ihrer Politik der kleinen Schritte ab, mit der sie seit Ende 2005 stufenweise die Leitzinsen im Euroraum angehoben hat – stets die Inflationsrate vor Augen. Die Preissteigerung gilt ja als Thermometer einer Wirtschaft, bewegt sie sich zu steil nach oben, droht fieberartige Überhitzung.

Nur: Die Inflationsrate hat zuletzt niemanden interessiert. Die Börsenkurse purzelten, weil in den USA der Immobilienmarkt kracht und weil europäische Banken bei den so genannten Subprimes, beim Pyramidenspiel mit Krediten an nicht kreditwürdige Häuslkäufer in Wisconsin, Omaha oder Nebraska, mitgezockt hatten. Die Banken vertrauten einander nicht mehr, was die Zinssätze für Geld, das sie einander tageweise liehen, ungesund in die Höhe trieb und den Geldmarkt auszutrocknen drohte. Die EZB musste, wie andere Notenbanken weltweit auch, billiges Geld in den Markt drücken, damit die Banken für ihrer täglichen Geschäfte liquid blieben. In dieses Klima der Unsicherheit stur auf einer Zinserhöhung zum festgelegten Zeitpunkt zu beharren wäre einfach ein fatales Signal gewesen.

Andererseits hatte sich Frankreichs Nicolas Sarkozy sofort, als frühe Vorbeben durch die Finanzmärkte gingen, in die erste Reihe der Kritiker der EZB gestellt und die honorigen Herren aufgefordert, von einer Zinssenkung gefälligst abzusehen. Natürlich vergaß der begnadete Populist nie auf den Hinweis, dass die EZB selbstverständlich unabhängig sei. Die Entscheidung der EZB als Kniefall vor Sarkozy zu interpretieren wäre jetzt aber unangebracht. Sehen wir es als Zeichen dafür, dass die Herren im Frankfurter Turm doch Sinn für die Realität im Wirtschaftsleben bewahrt haben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.9.2007)