50 Stunden "ohne Unterlass" hat Cécilia Sarkozy im Zelt des Muammar al-Gadaffi verhandelt, um im Juli die bulgarischen Krankenschwestern und deren palästinensischen Kollegen frei zu bekommen, so durfte man diese Woche endlich erfahren. Sie wird sich doch wenigstens die Beine vertreten haben, die Frau des französischen Staatspräsidenten, werden sich die Franzosen nach dem Interview der First Lady mit dem Regionalblatt L'Est Républicain fragen.

Aber für Glamour muss man eben leiden, wie auch das frühere Model Cécilia weiß. Frankreichs neue Glamour-Politik auf der internationalen Bühne unter Präsident Nicolas Sarkozy sieht ziemlich aus wie Frankreichs alte Glamour-Politik unter Sarkozys Vorgängern. Doch ganz so einfach ist es nicht. Mehr als 100 Tage im Amt und nach seiner ersten außenpolitischen Rede vor den versammelten Botschaftern seines Landes lässt Sarkozy einen neuen Sinn für die Realität von Frankreichs politischen Möglichkeiten in der Welt erkennen.

Dem alternden libyschen "Revolutionsführer" die bulgarischen Krankenschwestern abzuschwatzen, der EU-Kommission die Show zu stehlen und Gaddafi dann noch einen Reaktor zu verkaufen, war die Fusion zweier Wünsche der französischen Gesellschaft: Business und Moral. Bernard Kouchner, seinen Glamour- Außenminister, nach Bagdad reisen zu lassen, bedeutete für Sarkozy einen intellektuellen Durchbruch – Frankreich beschäftigt sich wieder mit dem Irak.

Ohne Lösung für den Terrorkrieg im Land freilich, aber immerhin mit dem Wunsch, die sinnlos gewordene Opposition gegen die mehr als vier Jahre alte Invasion der USA in den Irak hinter sich zu lassen.

"Einfluss" heiße der Leitbegriff der französischen Außenpolitik, nicht eine Diplomatie des "Mitleidens, eine ausschließlich humanitäre Ausrichtung, ein Lamento der Menschenrechte", erklärte ausgerechnet Bernard Kouchner, der "French Doctor", Gutmensch in eigener Sache und einstige Mitbegründer von "Ärzte ohne Grenzen", diese Woche vor seinen Diplomaten. Kouchner wird als Außenminister in Wahrheit beide Rollen spielen:_"Emergency Room" in allen humanitären Krisen der Welt, was die Franzosen zufrieden stellen wird, aber auch geopolitisches Schach, um Frankreich wieder ins Spiel zu bringen mit den USA, der arabischen Welt, der EU. Auch das schmeichelt natürlich den Bürgern.

Jahrzehnte hindurch hat Frankreichs Außenpolitik wie ein Workshop für Neurolinguistisches Programmieren funktioniert. Charles de Gaulle, Georges Pompidou, Valéry Giscard d‘Estaing, François Mitterrand und schließlich Jacques Chirac verkündeten ihre Wahrheiten über die "Grande Nation" und versuchten die Franzosen und die Welt glauben zu machen, dass es sich auch tatsächlich so verhält. "Frankreich kann nicht Frankreich sein ohne Größe, ohne Ehrgeiz, ohne Großzügigkeit", hatte Sarkozys Vorgänger Chirac noch im vergangenen Jahr bei einer Einbürgerungszeremonie in einer französischen Provinzstadt getönt und dabei einen Satz aus einen von de Gaulles Memoirenbänden übernommen. Im Februar 2003, am Vorabend des Irakkriegs, versagte Dominique de Villepin, Chiracs damaliger Außenminister, im UN-Sicherheitsrat den USA_die Gefolgschaft – rhetorisch brillant, politisch folgenlos.

Den Ton müsse man ändern, "unsere Worte, unsere Haltungen, die Art und Weise unserer Ankündigungen" revolutionieren, hat der frühere sozialistische Außenminister Hubert Védrine nun dem Staatschef in einer sehr lesenswerten, knapp 60-seitigen Studie empfohlen, mit der ihn Sarkozy beauftragt hatte. "Wenn wir geniale Ideen zur Verbesserung der Welt haben, die niemand vor uns hatte, wird sich das Universum dessen schon bewusst werden und uns dankbar sein", schreibt Védrine ironisch über den Anspruch der Franzosen auf die "universelle Berufung" ihres Landes. "Wenn das nicht der Fall ist, warum es von vornherein proklamieren... auf die Gefahr hin, dass wir uns selbst dementieren müssen oder lächerlich machen?"

Was aber denkt der Mann im Elysée-Palast? Die Zeit sei reif für eine Doktrin, hatte Sarkozy im Sommer dem US-Magazin The National Interest noch vage gesagt: Keine Realpolitik jedenfalls, die Begrenzung und Stagnation bedeute, vielleicht aber eine "realistische" Außenpolitik. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.9.2007)