Nach jahrelangem Abwehrkampf gegen zweisprachige Ortstafeln hat sich Jörg Haider in ein neues Thema verbissen. Der Kärntner Landeshauptmann macht nun Jagd auf islamische Symbole. An einem Tag will er (nicht vorhandene) Minarette stürzen, am nächsten zupft er an den Kopftüchern der Musliminnen.

So weit, so bekannt. Seine ganze Karriere lang benutzte Haider fremdenfeindliche Tiraden, um Wähler bei der Stange zu halten. Ständig im Wandel begriffen ist hingegen die Reaktion der beiden Großparteien. Einst schrien rote und schwarze Politiker noch auf, wenn die Freiheitlichen gegen Ausländer hetzten, später machte sich Schweigen breit. Nun stimmen, zumindest bei der ÖVP, die ersten in die Parolen ein. Und zwar nahezu wortgleich.

Ausgerechnet der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll, ein mitunter autoritärer, aber pragmatischer Großkoalitionär der alten Schule, schürt neuerdings Ressentiments gegen Zuwanderer. Moscheen hätten in seinem Reich nichts verloren, versichert der Landesfürst, denn: „Minarette sind etwas Artfremdes. Und Artfremdes tut auf Dauer in einer Kultur nicht gut.“ Gerne trägt Pröll auch die Kunde von der „Überfremdung“ ins schwarze Kernland, ein Begriff, den die Gesellschaft für deutsche Sprache schon 1993 zu Recht zum Unwort des Jahres wählte.

Es sind keine einmaligen Ausrutscher, die sich der ÖVP-Grande da leistet. Binnen weniger Tage hat Pröll den hässlichen Terminus, den die FPÖ 1999 noch unter großem Protest plakatierte, in gleich mehreren Interviews gezielt platziert. Im Sommergespräch mit Format genierte sich der Landeshauptmann nicht, gleichzeitig die Warnung auszusprechen: „Populisten sind gefährlich.“

Ausländer als Feindbild entdeckt Pröll, weil im nächsten Jahr Landtagswahlen anstehen. Derzeit hält die ÖVP die absolute Mehrheit, doch „eine g’mahte Wiesen“, wie der Titelverteidiger selbst sagt, haben die Schwarzen nicht vor sich. Auch in Niederösterreich staubte die Landeshauptmannpartei vor vier Jahren massenhaft Stimmen aus der Konkursmasse der alten FPÖ ab. Nun gilt es, diese rechtslastigen Wähler, die sich – siehe Nationalratswahl 2006 – schnell wieder verflüchtigen könnten, zu halten.

Pröll greift dabei zu Mitteln, die gerade in einer staatstragenden Partei verpönt sein sollten. Natürlich dürfen und sollen Politiker Schwierigkeiten ansprechen, die im Zusammenleben zwischen Alteingesessenen und Zuwanderern entstehen. Die Integration funktioniert nicht reibungslos, es gibt Defizite in den Schulen, mancherorts ziehen sich Muslime in „Parallelgesellschaften“ zurück.

Doch Haider und Pröll heizen mit despektierlicher Rhetorik nicht nur die Ausländerdebatte an, sie entfachen auch einen Streit über ein Problem, das praktisch nicht existiert. An kaum einem Stammtisch waren Minarette und Muezzine bisher wohl ein Thema – weil es sie in Österreich praktisch nicht gibt.

Nur in Wien und im tirolerischen Telfs stehen Moscheen mit Gebetstürmen. Pläne für protzige Prunkbauten an anderen Orten sind nicht bekannt, auch nicht in Niederösterreich, wo nur 3,2 Prozent Muslime leben. In Bad Vöslau wird zwar ein türkisches Kulturzentrum gebaut, aber ohne Minarette. Damit weiter nur Kirchtürme und Getreidesilos in den Himmel ragen.

Mit dem Feldzug gegen Moscheen erreichen Haider und Pröll nicht nur das Gegenteil von dem, was sie zu wollen vorgeben; wenn Muslime zum_Beten in schummrige Hinterhöfe verschwinden, fassen radikale Prediger umso leichter Fuß. Die beiden Landespolitiker legen auch die Hemmschwelle für Ausländerfeindlichkeit ein Stück tiefer.

Haider in der Sache nachzugeben, hat eine gewisse Tradition. Vor der Kopie der Wortwahl schreckten SPÖ und ÖVP aber meistens zurück. Ironie der Geschichte, dass nun einer vorprescht, der einst gegen eine Koalition mit der FPÖ plädiert hat. Für einen Absolutisten hielt man Pröll schon bisher. Allerdings für einen der aufgeklärten Sorte. (DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.9.2007)