Sieht noch keine Sättigung bei Türkei-Reisen: Der Chef des Reiseveranstalters Bentour, Gürsel Erel.

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Warum er auch glaubt, dass ein Beitritt der Türkei zur EU wichtig wäre, sagte er Günther Strobl.

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STANDARD: In Deutschland ist in dieser Woche ein Terroranschlag verhindert worden. Was war Ihr erster Gedanke? Zum Glück ist nichts passiert, weil das dem Tourismus hätte enorm schaden können?

Erel: Es ist bedauerlich, dass so etwas überhaupt möglich ist. Jede Art von Gewalt ist zu verurteilen, egal in welcher Ausformung. Alle sollten Sorge tragen, keine Hassgefühle zu pflegen. Tourismus ist eine Möglichkeit, Völker zu verbinden und zu besserem Verständnis beizutragen. Das entzieht dem Terror den Boden.

STANDARD: Die Türkei hat 2006 einen Rückschlag erlitten, viele Urlauber haben sich für andere Destinationen entschieden. Heuer zählt das Land zu den Gewinnern. Alles paletti?

Erel: Grund für den Einbruch war die Ende 2005 ausgebrochene Vogelgrippe Sars. Frühbucher, vor allem Familien, haben sensibel reagiert. Weil Fälle von Sars dann auch anderswo aufgetreten sind, hat sich das relativiert. Das Minus vom Jahresbeginn war aber nicht mehr aufzuholen.

STANDARD: Wie erklären Sie sich dieses nicht mehr planbare Verhalten der Touristen?

Erel: Bei Sars war Angstmache dabei. Wenn ich mich in die Lage einer Mutter mit zwei Kindern versetze, wäre ich angesichts der Meldungen vielleicht auch lieber nach Spanien geflogen. Viele der Gäste, die ausgewichen sind, haben sich heuer wieder für die Türkei entschieden, weil sie gesehen haben, was ihnen fehlt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis in der Türkei ist unschlagbar.

STANDARD: Wie gehen Reiseveranstalter wie Bentour mit diesem ständigen Auf und Ab um?

Erel: Bei Zielgruppen wie Golfern hatten wir null Probleme. Bewegung gab es bei der Masse, da müssen wir Alternativen anbieten. Deshalb die Länderdiversifizierung. Nicht nur Türkei, auch Griechenland, Ägypten, Mallorca und - mit Aufnahme der Magic-Life-Clubs in unser Portfolio - ab November auch Tunesien.

STANDARD: Viele Hotels sind errichtet worden, ein Ende der Bautätigkeit ist nicht in Sicht. Schafft sich die Türkei so nicht die Leerstände von morgen?

Erel: Die Welt verändert sich. Vor zwei Jahren hat man sich auch gefragt, wer diese Betten füllen soll. Jetzt sind sie voll und das zu guten Preisen. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs haben sich ganz neue Perspektiven aufgetan. Viele erkunden jetzt Zentral- und Osteuropas, umgekehrt kommen auch immer mehr Gäste aus diesen Ländern zu uns.

STANDARD: Der Bettenbedarf wird weiter steigen?

Erel: Definitiv. Die Türkei hat sich angestrengt, das Angebot diversifiziert. Belek beispielsweise ist ein Golfzentrum mit 14 Plätzen. Rund 800 Fußballvereine schlagen jährlich ihr Trainingslager in der Türkei auf. So ist man in der Lage, die Betten zu füllen.

STANDARD: Sie selbst sind in der Türkei geboren, sind mit 18 Jahren nach Österreich gekommen und inzwischen Staatsbürger dieses Landes. Es gibt Türken, die in Österreich wohnen und sagen, das Land gehöre nicht in die EU. Sie auch?

Erel: Ich glaube, es ist wichtig, dass die Türkei zur EU kommt, wichtig für den allgemeinen Friedensprozess. Ein Land, das mit anderen gemeinschaftlich verbunden ist, wird nicht gegen diese kämpfen.

STANDARD: Und wirtschaftlich? Erel: Dass es noch viel zu tun gibt, steht außer Frage. Tatsache ist aber, dass sich die Türkei sehr gut entwickelt. Das Land macht auch Fortschritte in Sachen Demokratie. Es gibt eine junge, sehr kluge und sprachgewandte Bevölkerung. Das EU-Mitglied Zypern liegt östlicher als Ankara, so kann wohl auch die Geografie kein Ausschließungsgrund sein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.9.2007)