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Darf sich ein Beamter auf einen Kaffee einladen lassen oder gilt das schon als Bestechung? Das hängt davon ab, ob der Gefallen mit einer Gegenleistung verbunden ist, meint Peter Eigen.

Foto: Reuters/Alexandra Winkler
Nur ein klarer Verhaltenskodex könne Korruption im öffentlichen Dienst vorbeugen, so Antikorruptionsexperte Peter Eigen. Auf einen Kaffee einladen dürfe sich ein Beamter aber schon lassen, wenn keine Gegenleistung erwartet werde, sagt er.

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STANDARD: Wozu braucht man einen Verhaltenskodex für den öffentlichen Dienst? Es gibt doch das Straf- und das Beamtendienstrecht.

Eigen: Es gibt eine ganze Reihe von Situationen, wo man Klarheit braucht. Denn es ist manchmal nicht so einfach zu beantworten, ob man sich zum Essen einladen lassen darf oder für private Zwecke den Dienstwagen nutzen kann. Und das kann man nicht verallgemeinern. Im öffentlichen Dienst gelten andere Standards als in einer Firma, die sich um öffentliche Aufträge bemüht. Es muss also ein Verhaltenskodex für jede einzelne Situation maßgeschneidert werden.

STANDARD: Wo sind beim öffentlichen Dienst besonders sensible Bereiche?

Eigen: Die größte Einbruchstelle für Korruption ist die Auftragsvergabe bei großen Projekten – wenn es etwa um Bauvorhaben geht oder Lieferungen im militärischen Bereich.

STANDARD: Österreich belegt im "Corruption Perceptions Index" den fünften Platz in der EU. Das ist doch nicht schlecht.

Eigen: Man kann da sehr leicht abrutschen, wenn man nicht aufpasst. In Deutschland gab es auch lange das Gefühl: Wir sind doch ein ehrliches Land. Trotzdem gab es plötzlich riesige Skandale. Viele Firmen haben sich daran gewöhnt zu bestechen. Wenn sich Beamte bestechen lassen – Hoheitsträger, denen von der Allgemeinheit anvertraut wurde, sich um das Allgemeingut zu kümmern –, dann kann Korruption schnell Fuß fassen.

STANDARD: Darf sich ein korrekter Beamter also nicht mal auf einen Kaffee einladen lassen?

Eigen: Natürlich darf er das. Wenn das auf Gegenseitigkeit erfolgt, sind selbst größere Einladungen ja eine angemessene Umgangsform. Es geht aber nicht, wenn für die Einladungen etwas erwartet wird. Wenn etwas darauf hinweist, dass die Unabhängigkeit einer Entscheidung dadurch beeinträchtigt werden soll. Mir ist auch unerklärlich, dass manche Leute ihre Karriere für ein paar hundert Euro aufs Spiel setzen.

STANDARD: Was würden Sie in dieser Grauzone noch als Kriterium für korrekten Umgang mit Einladungen oder Geschenken heranziehen?

Eigen: Ein guter Test ist, ob man bereit ist, eine Gefälligkeit öffentlich zu machen. Wenn man mit seiner Familie eingeladen wird, auf Kosten eines Unternehmens nach Brasilien zu reisen, wird man das wahrscheinlich nicht tun.

STANDARD: Ein Argument ist: "Es besticht doch jeder." Warum darf das nicht gelten?

Eigen: Erstens stimmt das nicht. Es tun nicht alle. Viele Unternehmen, die in Russland und China investieren, zahlen keinen Pfennig Bestechung, weil sie damit nie mehr aufhören können, wenn sie einmal anfangen. Außerdem: Wer einen Auftrag an jemanden vergibt, der besticht, nimmt dem Ehrlichen die Aufträge weg. Wenn es nicht mehr um Qualität geht, sondern nur noch um die höchste Bestechungssumme, dann zerstört Bestechung das Funktionieren des Marktes. (Birgit Baumann, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.09.2007)